Masse-Feder-System stellt Verkehrstauglichkeit in Frage
07.02.2017: OFFENER BRIEF an Verkehrsminister Winfried Hermann
Bereits mehrfach haben wir zum Bahnprojekt Stuttgart 21 Stellung genommen, insbesondere wegen der Probleme, die mit den Schlagworten Kosten, Gleisneigung, Kapazitätsrückbau, Brandschutz und Sicherheit in den Tunneln gekennzeichnet sind.
Gleichwohl befassen wir uns auch mit Problemen des späteren Betriebs des geplanten Tunnelsystems, so auch im Folgenden mit der Verwendung eines sog. „Masse-Feder-Systems“ für die Schienenlagerung, dessen Verwendung bei einem eventuellen Betrieb – sollte er trotz unserer generellen Bedenken Wirklichkeit werden – nicht nur hohe Wartungs- bzw. Instandhaltungskosten mit sich bringen würde, sondern insbesondere auch für den notwendigen Austausch der Elastomerlager jeweils monatelange Sperrungen der Tunnel nach sich ziehen. Der Stuttgarter Hbf wäre dann nur noch eingeschränkt mittels Notfahrplan erreichbar. Das aber kann keine zukunftsorientierte Lösung sein.
Ein solches. „Masse-Feder-System“ ist für die Zulauftunnel des Vorhabens Stuttgart21 vorgesehen, um Erschütterungs-Übertragungen aus dem Schienenverkehr auf bewohnte Gebäude im Einwirkungsbereich der Tunnel zu unterbinden. Ein solches System soll verhindern, dass sich beim Betrieb entstehende Schwingungen der Schienen auf die Tunnelsohle übertragen und über das Erdreich auf bewohnte Gebäude übertragen werden.
Wie dieses „Masse-Feder-System“ ausgebildet sein soll, ergibt sich u.a. aus beigefügtem Planausschnitt Anlage 10.2.3 des 18. Planänderungs-Antrages mit dem Schnitt durch einen der Zulauftunnel mit Planungsstand 29.2.2016. Daraus ist ersichtlich, dass der Schienen-Oberbau auf einer dicken Betonplatte aufliegt. Diese Betonplatte liegt auf Elastomer-Lagern, die ihrerseits auf der Tunnelsohle gelagert sind. Diese Elastomer-Lager sollen auf Grund ihrer – wie der Name schon sagt – Elastizität die durch den Betrieb der aufliegenden Schienen verursachten Schwingungen der Betonplatte aufnehmen und abbauen, so dass diese sich nicht auf den Unterbau fortpflanzen. Damit sollen die Schienen vom Unterbau schwingungstechnisch entkoppelt werden.
Es stellt sich allerdings die Frage, wie und mit welchem Aufwand diese Elastomer-Auflager, wenn sie nach mehrjährigem Einsatz mit zig-millionenfacher Schwingungsbelastung gealtert sind und zu zerbröseln beginnen, ersetzt werden können, um zu verhindern dass sich die Schienen absenken.
Masse-Feder-Systeme sind sicherlich Stand der Technik zur Schwingungsentkoppelung; deren Lebensdauer liegt jedoch nur im Bereich von allenfalls einigen Jahrzehnten, abhängig von der Anzahl und Größe der Lastwechsel, und wird keinesfalls die hier notwendige Betriebsdauer von 100 Jahren erreichen können.
Es wird dann erforderlich sein, den gesamte Schienen-Oberbau samt den als Masse dienenden Betonplatten zurückzubauen und unter Verwendung neuer Elastomer-Lager wieder neu aufzubauen.
Dazu müssten die Zulauftunnel jeweils monatelang außer Betrieb genommen werden – der Stuttgarter Hbf wäre dann nur noch stark eingeschränkt mittels Notfahrplan erreichbar, der Fernverkehr müsste um Stuttgart herum umgeleitet werden! Die dafür aufzuwendenden Kosten wären erheblich.
Das dürfen Sie als verantwortungsvoller Verkehrsminister nicht zulassen!
Es ist Ihre Aufgabe, diese Fragen in den dafür zuständigen Gremiensitzungen zur Diskussion zu stellen und auf einer Klärung im Sinne eines ohne Unterbrechungen gewährleisteten Betriebs zu bestehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ingenieure22
Anlage: Planausschnitt aus 18.PÄ / Anlage 10.2.3: Tunnelschnitt mit Masse-Feder-System