Rede von Thilo Böhmer auf der 130. Montagsdemo am 9.7.2012
ungekürzte Fassung
Meine Damen und Herren, ein Feuerwehrmann auf der Montagsdemo? Das gab's ja noch nie.
Aber das hat seinen Grund. Die Branddirektion Stuttgart steht gerade in Gesprächen mit der Deutschen Bahn wegen erheblicher Sicherheitsmängel im geplanten Fildertunnel. Ich kann nur hoffen, daß die Branddirektion Stuttgart dort kompromißlos bleiben wird. Denn: Sicherheit ist nicht verhandelbar, so auch die offizielle Position der Bahn beim zweiten Filderdialog.
Bei der Erörterung Fildertunnel hatte sich die Bahn dagegen aus Kostengründen sehr unwillig gezeigt, die geforderten Verbesserungen im Sicherheitsbereich zu erfüllen. Man wird sehen....
Was passiert nun, wenn ein Zug mit Triebkopfbrand auf der Strecke stehenbleibt? Das bekommt man meistens gut in den Griff, die Strecke wird gesperrt, die Feuerwehr und der DB-Notfallmanager rücken aus, Fahrgäste können den Gefahrenbereich großräumig verlassen -- wenn der Zug auf offener Strecke steht.
Anders im Tunnel: Eingeschränkte Fluchtmöglichkeiten, Verrauchung, schlechtere Sicht, es dauert erheblich länger, die Fahrgäste in Sicherheit zu bringen, und bei starker Rauchentwicklung können sich nicht alle Passagiere selbst retten.
Dieses Problem hat man auch schon vor Jahren bei der Bahn erkannt und tut alles dafür, damit ja kein brennender Zug im Tunnel stehen bleibt. So plante beispielsweise auf den Strecken Frankfurt-Köln und Nürnberg-Ingolstadt alle Tunnels so, daß auch antriebslose Züge noch aus den Tunnels herausrollen können.
Doch auch dies funktioniert nicht in allen Fällen: Wenn nämlich ein ICE3 einmal zum stehen gekommen ist, können bei Ausfall der Luftversorgung die Bremsen nicht mehr gelöst werden. Der Luftvorrat von 2x150 Litern reicht gerade noch zum Öffnen der Bugklappen auf beiden Seiten, da man ja im voraus nicht weiß, von welcher Seite später die Hilfslok zum Abschleppen kommen wird.
Und in Stuttgart werden nun Tunnels gebaut, deren tiefster Punkt mitten im Tunnel liegt. Ein antriebsloser Zug kommt dort nicht mehr heraus, sondern bleibt in diesem tiefsten Punkt wie in einer Wanne stehen. Markantester Punkt hierbei wäre die Unterquerung des Neckars bei Wangen.
Irgendwann kommt dann die Feuerwehr. Sie trifft in der Regel spätestens 15 Minuten nach dem Alarm am Ort des Geschehens ein und kann dann entsprechende Maßnahmen einleiten, Sperrung der Strecke vorausgesetzt, den Strom abschalten und den Fahrdraht erden, erst dann ist das Betreten des Gleisbereiches für die Rettungskräfte gefahrlos -- aber nur zum Beispiel in Hessen, wo auch meine Einsatzstelle liegt.
Das Brandschutzhilfeleistungsgesetz in Baden-Württemberg sieht nämlich nicht vor, daß die Feuerwehr eigenmächtig im Bereich der Bahn zur Gefahrenabwehr tätig werden darf. Bei einem Einsatz muß die Feuerwehr zuerst auf den Notfallmanager der DB Netz AG warten, der die Gleise sperrt und die Fahrleitung erdet. So geht wertvolle Zeit für die Brandbekämpfung und die Rettung der Fahrgäste verloren. (Vielleicht könnte sich Herr Gall in seiner Rolle als Innenminister und Zug- und Gruppenführer bei der Feuerwehr in seinem Heimatort dafür einsetzen, daß sich da etwas ändert.)
Zu allem Überfluß hat die Bahn in den letzten Jahren ihre Notfallbezirke vergrößert, daher ist die gesetzliche Eingreifzeit von 30 min nicht mehr zu realisieren. Bei Unfällen hat es sogar schon bis zu zwei Stunden gedauert, bis der Notfallmanager am Unfallort eintraf.
Und dann sollen die Einsatzkräfte Reisende womöglich in letzter Sekunde retten. Dafür bleibt einem Feuerwehrmann unter schwerem Atemschutz mit Luftvorrat für nur 45 Minuten aber nur wenig Zeit, wenn der Weg durch den verrauchten Tunnel zum Brandherd bereits einige Minuten in Anspruch nimmt.
Für solche Fälle gibt es die Tunnelrettungszüge. Diese bieten Langzeitatemschutz für vier Stunden, so daß die Feuerwehrmänner nicht ständig abgelöst werden müssen. Doch diese Tunnelrettungszüge können im Fildertunnel von S21 nicht eingesetzt werden, er ist einfach zu steil.
Aus Sicht der Feuerwehrleute sollte der überhand nehmende Bau langer Tunnels vermieden werden, um den Reisenden eine möglichst hohe Sicherheit zu garantieren und Gefahren für Leib und Leben von vornherein auszuschließen. Ich kann dies hier nur unterstreichen.
Zum Abschluß noch ein Beispiel: Welchen Stellenwert die Sicherheit einnimmt, erkennt man am besten an der Kommunikation der Pressestellen eines Konzerns. Im vergangenen Jahr berichtete die Märkische Allgemeine Zeitung über eine Brandschutzübung im Bahntunnel des neuen Willy-Brandt-Flughafens bei Berlin. Die Pressestelle der Bahn frohlockte, die Koordination und Zusammenarbeit der Einsatzkräfte habe funktioniert.
Feuerwehrleute sagten dagegen, die Rettungswege seien zu eng, die Wasserreservoire ein Witz. Bei einem Unfall oder Anschlag im Tunnel hätten Menschen kaum Überlebenschancen. Die Übung sei ein Riesendesaster gewesen, man habe sie abbrechen müssen. Für den Vize-Landrat von Königs-Wusterhausen war übrigens der Tunnelblick der Bahn der eigentliche Notfall.
Was die Dimensionierung der Rettungswege und der Wasserreservoire betrifft, so plant man in Stuttgart derzeit in etwa das gleiche wie in Berlin. Dabei ist doch Sicherheit nicht verhandelbar, so die offizielle Position der DB AG. Manche Pressestellen wissen das leider nicht.
Aber unter freiem Himmel sind wir vor solchen Pressestellen und Kommunikationsbüros sicherer als im Tunnel.