Rede von Uwe Dreiss „Das Kernerviertel und das Grundwassermanagement“ auf der 129. Montagsdemo am 2.7.2012

Die letzte Woche brachte zwei Neuigkeiten:

Die erste ist, dass beim Filderdialog am Freitag letzter Woche die sog. Antragstrasse der Bahn für den Filderbereich abgelehnt wurde. Man darf gespannt sein, wie’s weitergeht. Aber das ist jetzt nicht mein Thema.

Die zweite Neuigkeit ist: Bei der Sitzung des Technischen Ausschusses des Gemeinderats am Dienstag letzter Woche wurde von Bahn und Bürgermeister Hahn mitgeteilt, dass wegen der Erhöhung der Grundwassermenge von 3,2 auf 6,8 Milliarden Liter , die für das Grundwassermanagement vor dem Bahnhofstunnel abgepumpt und hinter dem Tunnel wieder infiltriert werden sollen, und wegen einer dazu erforderlichen zweiten Anlage für das Grundwassermanagement zu einem neuen Planfeststellungsverfahren kommen wird. Das ist sicher auch das Ergebnis unserer ständigen Kritik an den Risiken des Grundwassermanagements für die Mineralquellen und für den Hang am Ameisenberg und dort insbesondere für das Kernerviertel, also den Bereich Kernerstraße, Werastraße, Urbanstraße, Gerokstraße und anschließend unter dem Fernsehturm hindurch bis zu den Fildern.

Die Gutachten, die angeblich belegen, dass Bauschäden durch Absenkung von Gebäuden nicht zu befürchten sind, sollen bei der öffentlichen Auslegung der Änderungspläne ebenfalls veröffentlicht werden. Die Erstellung solcher Gutachten hatte die Stadt schon mit ihrem Schreiben an das Eisenbahnbundesamt vom 27. Juli 2011 gefordert. Veröffentlicht wurden sie allerdings bis jetzt nicht.

Folgende Fragen sind bei der anstehenden Prüfung des neuen Planfeststellungsantrages durch das Eisenbahnbundesamt zu klären:

1. Kann es am Ameisenberg zu Hangabrutschungen kommen? Zwei Ursachen kommen in Betracht:

  • Das Austrocknen eines trichterförmigen Bereichs um die Baustelle bis in den Hang durch das Abpumpen des Grundwassers, immerhin jetzt der doppelten Menge; und als weitere Ursache

  • Die Wieder-Infiltration des Wassers über die Infiltrationsbrunnen in der Urban-, Wera- und Kernerstraße.

 

2. Es kann an den Hängen durch Auslaugung des Sulfatgesteins Hohlraumbildungen geben, diese verursacht durch den Fluss des abgesaugten wie auch des reinfiltrierten Wassers. Das kann Einbrüche zur Folge haben.

3. Die Gefahr einer Absenkung des Grundwasserpegels mit entsprechenden Auswirkungen auf die Vegetation im Tal und auf die Mineralquellen. In anderen Worten: Funktioniert das alles wirklich?

 

Der an den Talkessel angrenzende Hang unter der Kernerstraße, Urbanstraße, Schützenplatz, Gerokstrasse, Sonnenbergstraße, usw. wird durch die Tunnel zu den Fildern und nach Untertürkheim unterfahren. Die Röhren führen durch das Gesteinsmaterial Gipskeuper-Anhydrit, das bei Zufuhr von Wasser Gips bildet und sich dabei um zwei Drittel seines Volumens ausdehnt, so z.B. wenn man beim Bohren der Tunnel auf eine Wasserader trifft. Solche Adern gibt es. Das haben wir im Jahre 2009 bei einer Probebohrung oberhalb der Jugendherberge - beim sog. Bohrloch 203 - erlebt.

 Der bei einem solchen Wassereinbruch durch Aufquellen des Anhydrits entstehende Druck kann sich nach oben fortpflanzen und in den Häusern Risse hervorrufen. Solche Quellungen hat es im Wagenburgtunnel, also in demselben Berg, schon gegeben. Solche Risse sehen wir in Staufen im Breisgau, dort verursacht durch Geothermiebohrungen. Vor ein paar Wochen in Zumhof bei Rudersberg.

 Dies alles aufzuklären, hat jetzt die Bahn Gelegenheit. Alle, die uns versprochen haben und versprechen, das kritisch zu begleiten, müssen dieses Versprechen jetzt auch halten. Wir werden uns jedenfalls weiterhin intensiv mit diesen Fragen beschäftigen.

 Ganz besonders interessiert uns: Bei der Sitzung des Technischen Ausschusses des Gemeinderats am 26.6. 12 erwähnte der Bahn-Gutachter, er habe einen ganzen Leitzordner voll mit möglichen Unfallszenarien und Konzepten zu deren Behebung“. Dieser Ordner muss auf den Tisch!

Und weiter die Fragen: Wer haftet für die Schäden? Die Bahn, die Baufirma, die Stadt, das Land? Auch noch in 50 Jahren? Werden die Betroffenen die Verursachung der eventuellen Schäden durch den Bau beweisen können?

Gegenwärtig erhalten die ersten Betroffenen, deren Grundstücke direkt unterfahren werden, Vertragsangebote, die das Einverständnis mit der Eintragung der sog. Unterfahrrechte in das Grundbuch zum Gegenstand haben. Rechtsgrundlage ist die Planfeststellung, die aber ja jetzt wieder geändert werden soll; siehe oben.

Außerdem enthält das Vertragsangebot die Verpflichtung, gegen Geräuschimmissionen bei Bau und Betrieb keine Einwendungen zu erheben, ferner das Recht der Vorhabenträger, dass von ihr beauftragte Personen ohne Einschränkungen oder Kontrollmöglicheiten das Grundstück jederzeit betreten können, ferner eine nur subsidiäre Haftung der Vorhabenträger.

 Dies alles gegen eine m.E. geringe Entschädigung, die die Wertminderung und die Gefährdung der Substanz, sowie die Verminderung der Nutzung beim Bau und Betrieb auch nicht im Ansatz berücksichtigt. In einem mir bekannten Fall beträgt bei einer Unterfahrung von ca. 400 m² die Vergütung für einen Eigentumsanteil – eine Eigentumswohnung – von 2,5% gerade mal ca. 600 Euro. Diese Bedingungen sind unakzeptabel.

Um den heutigen Zustand zu dokumentieren, beginnt die Bahn über die von ihr beauftragte Landsiedlung GmbH, eine Tochter der LBBW, jetzt sog. Beweissicherungsverfahren. Die Probleme werden damit aber nicht gelöst. Nur der heutige IST-Zustand wird „gesichert“. Kontrollieren Sie diese Arbeiten. Das kann später wichtig werden.

 Die betroffenen Eigentümer sollten sich in kleineren Gruppen zusammen tun, um zu besprechen, wie sie sich verhalten wollen. Diskutieren Sie die Themen mit Ihren Nachbarn. Auch mit Befürwortern; vielleicht stimmen Sie sie um. Es ist halt leider so: Viele haben keine Ahnung und wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Für viele ist aber das Eigentum, das sie sich im Laufe ihres Lebens erarbeitet haben, und dessen Ertrag ihre Altersrente.

Es gibt noch eine Menge aktuelle Schwachpunkte, mit denen wir uns gründlich auseinander setzen müssen. Der nächste Referent wird darüber berichten.

Die Auseinandersetzung nimmt wieder Fahrt auf. Wir müssen uns wieder anstrengen, damit wir, wenn der Staub sich gelegt haben wird, OBEN BLEIBEN!