Rede von Hans Heydemann: „Brandschutz S21-Flughafen-Bahnhof vor dem VGH", 446. Montagsdemo am 17.12.2018
Brandschutz des S21-Flughafen-Bahnhofs vor dem VGH
Rede von Hans Heydemann, Ingenieure22, auf der 446. Mo-Demo am 17.12.2018
Liebe Mitstreiter!
Am 20. November 2018 wurde die Klage der Schutzgemeinschaft Filder gegen den Filderabschnitt PFA 1.3a vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim verhandelt – Steffen Siegel hatte bereits darüber berichtet.
Der Brandschutz spielte dabei eine bedeutsame Rolle; der war dem vorsitzenden Richter so wichtig, dass er diesen Tagesordnungspunkt vorzog und nahezu zwei Stunden darauf verwendete. Er hatte sich sehr gründlich mit meinen Einwendungen auseinandergesetzt und handelte diese Punkt für Punkt ausführlich ab. Das war bemerkenswert.
Bei etlichen Fragen sah die Bahn mit ihren verlegenen Antworten gar nicht gut aus.
Ich durfte auf der Klägerseite zum Brandschutz vortragen und konnte aufzeigen, dass vieles von der Bahn nur dreist behauptet wird, aber grundfalsch ist. Die Bahn lässt sich von ihrem Sachverständigen Prof. Dr.Ing. Dr.hc. Klingsch alles schönrechnen, und das Eisenbahn-Bundesamt winkt das dann nur noch durch. Einige wenige Beispiele dazu aus dieser Verhandlung.
An Hand unserer eigenen Simulation konnte ich zeigen, dass die Evakuierungs-Simulation der Bahn falsch ist. Die geht nämlich davon aus, dass zu Beginn der Evakuierung alle 2.284 Personen gleichmäßig auf dem Bahnsteig verteilt sind; das Aussteigen aus dem Zug wie auch mitgeführtes Gepäck werden nicht berücksichtigt. Dadurch ergibt sich eine kurze Räumzeit für den Bahnsteig von nur vier Minuten. Zuzüglich 3 Minuten Vorbrandzeit sind nach Angabe der Bahn innerhalb von nur sieben Minuten nach Brandbeginn alle Personen in Sicherheit. Der Bahnsteig bleibt 8 Minuten lang raucharm; damit ist für die Bahn der Evakuierungsnachweis erbracht.
Doch das ist wirklichkeitsfremd. Eine Evakuierung mit Aussteigen aus dem Zug dauert selbstverständlich länger, als wenn die Leute schon alle aus dem Zug heraus sind und bereits auf dem Bahnsteig stehen. Die Bahn hat sich die Berücksichtigung des Aussteigens aus dem Zug bei ihrer Simulation einfach geschenkt und bezeichnet das Nichtberücksichtigen des Aussteigens dreist als konservativen Ansatz, der noch Reserven aufweise, und behauptet glatt, das Aussteigen aus dem Zug würde eine kürzere Evakuierungszeit ergeben, weil sich dann der Stau vor den Durchgängen schneller abbaue, ohne dies je nachgewiesen zu haben.
Die Evakuierungssimulation geht vom Brand eines Reisewagens aus. In dem brennenden Wagen wird bei Einfahrt des Zuges kein Mensch mehr sein; alle Insassen dieses Wagens werden sich vorher in die benachbarten Wagen rechts und links davon vor dem Feuer in Sicherheit gebracht haben – diese Wagen werden dann hoffnungslos überfüllt sein. Dementsprechend dauert auch das Aussteigen aus den überfüllten Wagen allein schon 3 Minuten und weitere 2 – 3 Minuten auf dem Bahnsteig bis zum Erreichen der anderen Bahnsteigröhre als sicherem Bereich; zusammen mit den 3 Minuten Vorbrandzeit ergibt das 9 Minuten ab Brandbeginn. Die Raucharmut ist nach eigener Angabe der Bahn dann nicht mehr gewährleistet; damit ist der Evakuierungsnachweis gescheitert.
Außerdem muss mit einer viel stärkeren Verrauchung des Bahnsteiges gerechnet werden, weil die Vorbrandzeit mit nur drei Minuten willkürlich zu kurz angesetzt ist. Davon sind zwei Minuten Fahrzeit im Tunnel und eine Minute Detektionszeit. Maßgebend ist aber nicht die Fahrzeit im Tunnel; der Brandbeginn kann lange vorher sein. Selbst wenn der Brand schon einen km vor dem Tunnel festgestellt wird, ist der Zug nicht mehr vor der Einfahrt in den Tunnel zu stoppen – der Bremsweg für einen Zug mit 160 km/h beträgt bei Notbremsung mehr als 1.200 m! Die zugrunde zu legende Vorbrandzeit erhöht sich damit auf sechs Minuten; die Gesamtzeit ab Brandbeginn beträgt damit 12 Minuten anstatt nur 7 Minuten wie von der Bahn angegeben, und die Rauchfreisetzung ist um ein Vielfachtes größer. Die von der Bahn unterstellte „Selbstrettung aller Personen“ ist damit nicht möglich.
Fehlerhaft ist auch die Entrauchungssimulation. Die Entrauchung der Bahnsteigröhren ist vorgesehen als maschinelle Absaug-Anlage mit 1,22 Mio. m³/Std. Gesamt-Absaugleistung. Diese ist unterteilt in sechs baulich voneinander getrennte Absaug-Abschnitte mit jeweils 2 Axial-Absauggebläsen sowie jeweils 5 Entrauchungsklappen auf jeder Bahnsteigseite.
Brandortabhängig sollen jeweils 10–12 Klappen öffnen, um den Rauch brandortnah zu erfassen. Nun sind die zu öffnenden 10–12 Entrauchungsklappen auf zwei Entrauchungs-Abschnitte beschränkt; demnach beträgt die Absaugleistung auch nur 1/3 der Gesamt-Absaugleistung, das sind nur 0,407 Mio. m³/Std anstatt der vorgegebenen Rauch-Absaugung von 1,22 Mio. m³/Std!
Die Rauchabsaugung ist also erheblich geringer als in der Simulation dargestellt; deren Ergebnisse sind folglich falsch, das Brandschutzkonzept der Bahn auch in dieser Hinsicht grob fehlerhaft.
Kaum hatte ich dies vorgetragen, stand ein Herr des Eisenbahn-Bundesamtes auf und sagte, ich würde mich irren; die 1.220.000 m³/Std. würden immer erreicht, gleichgültig über welche Klappen abgesaugt werde. Ich fragte zurück, wie das denn gehen solle bei baulich voneinander getrennten Absaug-Abschnitten; wie denn die Rauchgase durch 30 cm dicke Betonwände hindurchtreten können, und hielt dazu den Bauplan hoch – mit dem Freigabestempel des Eisenbahn-Bundesamtes darauf!
Daraufhin erstmal betretenes Schweigen; die Vertreter der Bahn kramten ihre Pläne hervor. Dann platzte einer heraus: da seien ja doch Öffnungen in den Wänden; also könne die Luft da ja durch. Ich musste ihn zurechtweisen: die Öffnungen sind keine Absaugöffnungen, sondern als Durchstiege 90x90 cm mit brand- und rauchdichten Türen ausgewiesen und für Kontrollgänge des Wartungspersonals bestimmt, aber nicht für den Rauchdurchtritt. Dafür sind diese auch um ein Vielfaches zu klein. Außerdem stellen diese Durchstiege Brandabschottungen dar, die stets geschlossen sein müssen.
Es ist nicht zu fassen, wie wenig sowohl die Bahnvertreter als auch die des Eisenbahn-Bundesamtes ihre eigenen Pläne kennen, die sie angeblich geprüft und zur sofortigen Vollziehung freigegeben haben.
Wieder betretenes Schweigen auf Seiten der Bahn. Der Richter fragte mich dann, wie die Absaugung nach meiner Auffassung denn beschaffen sein müsse. Ich erwiderte nur: „Ich will und werde der Bahn doch nicht sagen, wie es geht!“ Gelächter im Saal.
Der Richter fragte die Bahn, was denn nun werden solle, die Pläne müssten ja wohl geändert werden, was die Bahn-Vertreter denn auch kleinlaut zugaben.
Umso unverständlicher, dass sich nichts davon im Urteil des VGH wiederfindet.
Das aber zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze S21-Vorhaben.
Der frühere SPD-Fraktionsvorsitzende Schmiedel hat mal gesagt: „Auf Stuttgart 21 ruht Gottes Segen“. Nein; richtig muss es heißen: „Über Stuttgart 21 wabert der Fluch des Betruges.“
Deshalb: Oben bleiben!