Rede von Dr. Carola Eckstein „Wie Stuttgart 21 die Verkehrswende blockiert", 438. Montagsdemo am 22.10.2018
Wie Stuttgart 21 die Verkehrswende blockiert
Rede von Dr. Carola Eckstein, Parkschützerin und Mitglied der Ingenieure22, auf der 438. Montagsdemo am 22.10.2018
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
ich nehme das Fazit der nachfolgenden Rede vorweg: Wir brauchen eine Verkehrswende!
Autos machen Dreck und Ärger, die Alternativen sind -Stand heute- in Stuttgart massiv unterbelichtet. Und ebenso unterbelichtet ist die Verkehrspolitik, die aktuell eigentlich die große Aufgabe hätte, Infrastruktur und Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Mobilität zu schaffen. Stattdessen haben wir mit S21 einen Dinosaurier, der mitten auf der Kreuzung sitzt, also allen und allem im Weg ist.
Konkret: Wenn die Autos am Neckartor weniger werden sollen, dann brauchen die Menschen in den Autos gute und zuverlässige Alternativen.
Schon vor Jahren argumentierte Sozialbürgermeister Werner Wölfle, man könne die Ticketpreise der VVS nicht senken, weil die SSB in den Stoßzeiten gar nicht mehr Leute transportieren könne. Ja, ganz richtig: Die Busse und Bahnen sind in der Innenstadt deutlich jenseits der Kapazitätsgrenze unterwegs. Aber nein, Fahrpreiserhöhungen und Stadtbahnsperrungen für S21 sind die falsche Antwort.
- Wir brauchen mehr Stadtbahnen, nicht unsinnige Tunnelbaustellen, die einer dritten Stammstrecke für die SSB den Weg versperren.
- Wir brauchen mehr Busse und durchgehend eigene Busspuren, nicht Fahrbahnverengungen und -verschwenkungen, die für lange Busse kaum unfallfrei zu passieren sind.
- Wir brauchen mehr Züge vom Neckartal in die Innenstadt und mehr Züge aus der Stadt zum Flughafen, nicht weniger Gleise im Hauptbahnhof.
- Wir brauchen den S-Bahn-Ringschluss von den Fildern direkt ins Neckartal, nicht die durch S21 erzwungene Kappung der Panoramabahn vom Bahnhof auf die Fildern.
- Wir brauchen Platz für Fußgänger und Radfahrer und durchgängige Wege ohne Verrenkungen, nicht abgebaute Brücken.
Das sind nur einige Punkte, an denen S21 ganz konkret verhindert, dass die Autos am Neckartor weniger werden. Und einige Punkte, wie Umstieg 21 ganz direkt helfen könnte, die Luft in Stuttgart besser zu machen.
Neben dieser sehr lokalen Betrachtung müssen wir aber auch das große Ganze in den Blick nehmen. Nach der enormen Ressourcenverschwendung für den S21-Bau sind vor allem die Themen Energieverbrauch und Deutschlandtakt von übergreifender Bedeutung.
Durch S21 und die Neubaustrecke verdoppelt sich der Energieverbrauch für eine Fahrt von Ulm nach Stuttgart mal eben – das hilft nicht, die enormen CO2-Emissionen unserer Mobilität zu senken!
Für einen Taktknoten im Integralen Taktfahrplan wäre S21 mit nur 8 Gleisen schlicht zu klein. Für Verbindungen in 14 Richtungen braucht man 14 Gleise, das kann jeder abzählen.
In einem sehr lesenswerten Artikel der aktuellen →KONTEXT:Wochenzeitung beleuchtet Matthias Lieb vom VCD das Thema weitaus detaillierter. Zu den dramatischen Engpässen in und um Stuttgart ist hier zu lesen: „In den Verkehrsplanungen des Bundes werden die erwarteten Fahrgastzuwächse deshalb rechnerisch einfach in zusätzliche Züge während der Nacht verteilt, denn aufgrund fehlender Güterzüge bestehen nachts auf diesen Gleisen noch erhebliche Kapazitätsreserven. Das ist nichts als Schönrechnerei: In den Zeiten des Berufsverkehrs, wo es besonders dringend wäre, sind schon heute die Kapazitäten erschöpft und ist kein weiterer Ausbau vorgesehen. Dies wurde in mehreren Bundestagsanfragen der Grünen dokumentiert.“ Echte Lösungen wären mit Umstieg 21 möglich!
Eine Ausführung, wieso der fehlende Integrale Taktfahrplan nicht nur für die Reisenden unbequem ist, sondern auch für den Güterverkehr und den Energiebedarf im Transport dramatische Folgen hat, würde den Rahmen dieser Rede sprengen.
Klar ist auf alle Fälle: Mit dem Deutschlandtakt hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer das richtige Ziel benannt. Um das Ziel zu erreichen, muss er sich sehr schnell daran machen, die Bahninfrastruktur ITF-tauglich zu machen, statt weiter zuzusehen, wir der Dinosaurier S21 den Südwesten Deutschlands gänzlich ITF-untauglich macht.
Oben bleiben!