Rede von Klaus Gebhard „Verwirrende Wendlinger Kurven...", 428. Montagsdemo am 13.08.2018

„Verwirrende Wendlinger Kurven – Wendlingen bitte umsteigen!"

Rede von Dipl.-Ing. Klaus Gebhard, Ingenieure22 auf der 428. Montags-Demo am 13.8.2018

Redemanuskript

Der Ausbau der bei Stuttgart 21 nur 1-gleisig geplanten Gleisverbindung von der Neubaustrecke Ulm-Wendlingen in die Neckartalbahn zur voll leistungsfähigen „Doppelkurve Wendlingen-Ulm“ ist aus zweierlei Sicht unbedingt ratsam:


Vergleich Anbindung Neubaustrecke Wendlingen-Ulm an Neckartalbestandsstrecke
Quelle: Umstieg 21. Auf das Bild klicken, um es in höherer Auflösung darzustellen.

  1. mit Blick auf die mindestens 3 Jahre vor Stuttgart 21 fertig werdende Neubaustrecke, die während der jahrelangen Wartezeit auf Stuttgart 21 nur mit einer 2-gleisigen Verbindung effizient und pünktlich genutzt werden kann, und
  2. mit Blick auf die Lehren aus dem „Debakel Rastatt“: als Ausweichstrecke im Fall von Störungen und den absehbar wiederholt fällig werdenden Sanierungen des S21-Filder- und Feuerbachtunnels, die auf vielen Kilometern Länge durch quellfähigen Anhydrit führen, siehe die publik gewordenen Warnungen im DB-beauftragten KPMG-Gutachten.

Die von uns ebenfalls vorgeschlagene Aufwertung des Bahnhofs Wendlingen zu einem ICE-Bahnhof hat zwei große Vorteile:

  1. Zum einen ermöglichte sie Passagieren aus dem Raum Ulm/Merklingen und Tübingen/Reutlingen mit Fahrziel Filderflughafen den getakteten Umstieg auf die Neckar-Filder-Gäu-Ringschluss-S-Bahn, die sie in 18 bzw. als Express-S-Bahn in 10 Minuten zur zeitsparenderen Flughafen-S-Bahn-Station direkt unter dem Abflugterminal befördert. Nebenbei: Von den derzeit DB-geplanten 2 ICEs pro Stunde von Ulm nach Stuttgart kann aufgrund des vergleichsweise geringen Flughafen-Passagiere-Aufkommens jeder zweite als „Sprinter“ durchfahren, zumal auch noch ein zusätzlicher stündlicher IC/EC und IRE die Relation Stuttgart–Ulm via Neubaustrecke bedienen sollen.
  2. Zum anderen ist die mit vergleichsweise geringen Kosten verbundene Aufwertung des Wendlinger Bahnhofs zu einem ICE/IC-Halt auch deshalb unbedingt ratsam, weil ansonsten nach S21-Planung 365.000 Neckartalbahnanlieger bei jeder Fahrt in Richtung Ulm/München/Friedrichshafen via Neubaustrecke jedes Mal erst 15 km Umweg in die entgegengesetzte (!) Richtung via Wendlinger Kurve zum Flughafen Stuttgart und nach dortigem Umstieg auf einen Gegenzug dieselben 15 km wieder zurück fahren müssen – also einen 30 km Umweg bei einer Gesamtdistanz von gerade einmal 57 km auf sich nehmen müssen! Dies weil sowohl die geplante „Kleine“ wie auch die von der Landesregierung geforderte „Große Wendlinger Kurve“ aufgrund ihrer Von-Süd-nach-West-Orientierung ausschließlich von der Neckartalbahn in Richtung S21-Flughafen-Fernbahnhof, nicht aber auf die NBS Wendlingen–Ulm überleitet.

Die 600 m lange „Doppelkurve Wendlingen-Ulm“ sowie eine fällige Bahnsteigverlängerung im Wendlinger Bahnhof um gerade einmal 50 m ist im übrigen vollständig gegenfinanzierbar durch die entfallen könnende bislang noch nicht gebaute 100 Mio. € teure „Große Wendlinger Kurve“, die ohnehin nur der Minderheit der Flughafenpassagiere aus Richtung Tübingen/Reutlingen einen geringen* Zeitgewinn bringt (*gering wegen Ankunft im zeitraubend fehlplatzierten S21-Flughafen-Fernbahnhof!).

Wendlinger Kurven, Folie 2

Aufwertung des Wendlinger Bahnhofs zu einem ICE/IC-Halt
Quelle: Umstieg 21. Auf das Bild klicken, um es in höherer Auflösung darzustellen.

Die Bahnfahrer unter den 365.000 Einwohnern des östlichen und südlichen Neckartals, die von unserem 2-fach-Vorschlag „Doppelkurve Wendlingen-Ulm" + "ICE-Halt Wendlingen Bf" massiv profitieren würden, steigen bisher bei Fahrten Richtung Ulm in Plochingen auf Züge nach Ulm um und fahren so durch das Filstal via Göppingen und Geislinger Steige über die Alb.

Diese bisherige Alternativroute zur NBS wird aber mit Inbetriebnahme der NBS verbindungsmäßig zwangsläufig massiv ausgedünnt werden! Denn die Mehrzahl aller heute und künftig von Stuttgart nach Ulm fahrenden Personenzüge soll dann ja zeitsparend über die NBS nach Ulm geführt werden. Deshalb bleiben im Filstal absehbar nur noch ein paar Bummelzüge und Güterzüge übrig! Ein Fakt nebenbei, den die im Wahlkreis Geislingen mit knappster Mehrheit gewählte Nicole Razavi (CDU) - immerhin die verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion! - viel zu spät kapiert hat. Sie hat in ihrem blinden, ja geifernden Einsatz für Stuttgart 21 ihrem Wahlkreis massiv geschadet!

Mit anderen Worten: Die 365.000 Einwohner des östlichen und südlichen Neckartals handeln sich mit Stuttgart 21 gleich einen 3-fachen Nachteil ein:

  1. Sie müssen bei jeder Fahrt nach Ulm via NBS (von Wendlingen aus gemessen = 57 km) erst mal 2 x 15 km Umweg zum Flughafen fahren (und diesen 30km-Umweg via Trassenkilometergebühren der DB auch noch selbst bezahlen)!
  2. Sie bezahlen den BAU der NBS, die sie mit der Großen wie mit der Kleinen Wendlinger Kurve gar nicht erreichen können, aus ihren Steuergeldern mit! und...
  3. Ihr bisheriger Ausweg, der Umstieg in Plochingen auf die Filstalbahn via Geislinger Steige nach Ulm, wird mit Inbetriebnahme der NBS fahrplanmäßig massiv ausgedünnt werden!

Eigentlich müsste es in diesem Raum einen Volksaufstand gegen die ihnen all das eingebrockt habenden S21-Protagonisten geben! Dass er ausbleibt, ist nur auf zweierlei Weise zu erklären: Entweder sie wissen nichts davon - oder niemand von denen will je Richtung Ulm-München-Wien per Bahn fahren. Ich tippe auf Ersteres.


Angesichts der beschämenden Lage, wonach die hiesige Politik wie auch die DB unser Umstiegsangebot mit der leistungsfähigen 2-gleisigen Einbindung der NBS in die Neckartalbestandsstrecke bei Wendlingen nicht aufzugreifen gewillt ist – stattdessen rechnen sie seit Wochen an Betriebsfahrplänen über die 1-gleisige "Güterbahnspange" herum, mit problematischen Taktfahrplanauswirkungen bis ins Bayrische hinein, laut Medienberichten! –, möchte ich noch auf einen weiteren, bislang nicht bedachten Schwachpunkt dieser erneuten Murksplanung hinweisen.

Durch den faulen "Kompromiss", für die mindestens 3-jährige Zwischenzeit zwischen der Fertigstellung der Neubaustrecke und von S21 (ich persönlich rechne eher mit 5+XXL Jahren) allen Verkehr zwischen Ulm und S-Hbf über das Nadelöhr "1-gleisige Güterbahnspange" abwickeln zu wollen, handeln sich die famosen Planer hierzulande eine Doublette des teuren und oberpeinlichen Berliner BER-Tunnelbelüftungs-Geisterzüge-Debakels ein!

In Berlin ist im Gegensatz zu Stuttgart ein neuer Flughafenbahnhof samt 2800 m langer Tunnelzuläufe VOR dem Großprojekt BER fertig geworden. Weil letzterer weiter auf sich warten lässt, muss die Bahn bereits seit 5 Jahren teure tägliche Leerfahrten auf der insgesamt 8 km langen Strecke durchführen, damit die Tunnels und technischen Anlagen in der feuchten stehenden Tunnelluft nicht zu schimmeln anfangen. Der Berliner Tagesspiegel berichtete darüber am 6. März 2013 folgendes (in Auszügen):

„Es fährt ein Zug ins Nirgendwo – und zwar täglich."

„Die Bahn hält durch das tägliche Befahren der rund acht Kilometer langen Neubaustrecke (..) die Anlagen in Schuss und bringt gleichzeitig durch die Luftmassen, die die Züge vor sich herschieben, frischen Wind in die unterirdische Station. Es soll ja nichts schimmeln."

„Auch die Kollegen von der Regionalbahn passieren täglich den toten Flughafenbahnhof – ebenfalls mit Leerzügen. Gut ein Dutzend solcher Fahrten finden täglich statt, sagt Berlins Bahnchef Ingulf Leuschel. Die Bahn will dem Flughafen später die Rechnung präsentieren. Grob geschätzt setzt sie monatlich rund zwei Millionen Euro in den Sand."

Genau das gleiche oberpeinliche bahn- und damit steuergeldverbrennende Schauspiel droht nun auch im Schwäbischen - ausgelöst durch Ignoranz und kurzsichtige Sparsamkeit stets am falschen Fleck! Weil der gesamte Verkehr für mindestens 3, und ich möchte wetten in Wahrheit wohl eher für 5+XXL Jahre, über diese 1-gleisige Spange abgewickelt werden soll, die lediglich in die Nordröhre des 8,2 km langen Albvorlandtunnels einmündet, bleibt die genauso lange Südröhre die 5+XXL Jahre ungenutzt und unnutzbar liegen. Unnutzbar deshalb, weil es auf der gesamten Tunnellänge keine Gleisüberleitung von der einen zur anderen Röhre geben wird. Ein Gleiswechsel der Züge aus Stuttgart Richtung Ulm wird erst NACH dem Albvorlandtunnel bei Kirchheim möglich. Damit handelt sich das Musterländle nicht nur jahrelange Geisterzufahrten auf fast 9 km Länge ein, die jede Fahrplanpünktlichkeit zunichte machen wird, sondern eben auch noch die Berliner Lachnummer mit den täglich mehrfach fälligen Belüftungs-Leerfahrten in der vom normalen Personenzugverkehr nicht erreichbaren Südröhre! Einzig und allein nicht erreichbar mangels Realisierung unserer vorgeschlagenen aber von der hochverschuldeten Bahn und kurzsichtigen bzw. unwissenden Politik nicht aufgegriffenen 600 m langen Umstiegs-Doppelkurve Wendlingen-Ulm!