Rede von Hans Heydemann „Die Bahn und der S21-Brandschutz", 422. Montagsdemo am 02.07.2018

„Die Bahn und der S21-Brandschutz"; Rede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann (Ingenieure22) auf der 422. Montags-Demo am 2.7.2018

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Liebe Mitstreiter

Der Brandschutz für S21 ist noch lange nicht durch – im Gegenteil: am Brandschutz wird die nicht heilbare Fehlplanung des Vorhabens immer deutlicher. Nahezu zwei Jahre hat das Eisenbahn-Bundesamt gebraucht, um der Bahn die 18. Planänderung mit dem Verschieben der Fluchttreppen an die Bahnsteigenden schlussendlich zu genehmigen – offensichtlich auf Druck der Bahn und gegen erhebliche Vorbehalte der Brandschutzdirektion und des Regierungspräsidiums. Mehrere Behindertenverbände hatten die fehlende Barrierefreiheit der Tiefbahnsteighalle und die auf 80 cm verringerten Fluchtwegbreiten in den Tunnelvorköpfen beanstandet – vergeblich. Doch dagegen klagen wollte keiner von denen; das würde doch eh nichts bringen.

So habe denn ich gegen diesen Genehmigungsbescheid Klage beim VGH eingereicht. Eigentlich bin ich nicht klageberechtigt, denn ich besitze ja kein Grundstückle im S21-Baubereich und bin somit nach Ansicht der Bahn auch nicht betroffen. Mein Anwalt stützt meine Klage denn auch auf das Grundgesetz Artikel 2 „Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. Mit Vorlage meiner Bahncard bin ich als Bahnkunde und regelmäßiger Nutzer des Stuttgarter Hauptbahnhofs ausgewiesen. Daraufhin hat der Anwalt der Bahn mit bemerkenswerter Eile beim Gericht beantragt, meine Klage als unzulässig abzuweisen, „weil der Kläger nicht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist. Eine Verletzung eigener Rechte des Klägers ist offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen.“ Das begründet er dann so: „Der neue unterirdische Durchgangsbahnhof wird frühestens 2025 in Betrieb genommen. Der Kläger hat nicht dargetan, dass er auch im Jahr 2025 und danach Inhaber einer Bahncard sein wird. Die jetzt vorgelegte Bahncard hat jedenfalls keine Gültigkeit bis zur Inbetriebnahme des neuen unterirdischen Durchgangsbahnhofs.“ Und weiter: „Der einzelne Bahnkunde oder Bahnbenutzer kann sich nicht auf eigene individuelle Belange stützen. Die Betroffenheit eines allgemeinen oder öffentlichen Interesses – hier an der Sicherheit des Systems Eisenbahn – genügt nicht, selbst wenn dessen Schutz für die jeweilige Privatperson subjektiv von hoher Bedeutung sein mag.“

Noch krasser geht es wohl nicht mehr! Obwohl Teil der Allgemeinheit, soll ich dennoch nicht klagebefugt sein, wenn es um die Öffentliche Sicherheit geht, von der ich sehr wohl betroffen bin. Wer wenn nicht eine Einzelperson hätte hier überhaupt klagen können? Eine Verbandsklage gibt es nicht; Umweltverbände können nur wegen Verstöße gegen Naturschutzbelange klagen So hebelt man in unserem Rechtsstaat das Grundgesetz und die vielbeschworene Bürgerbeteiligung gleich wieder aus - Politik nach Gutsherrenart!

Wir werden sehen, wie es weitergeht. Zunächst einmal muss die Bahn liefern, nämlich bis zum 31.7.18 auf meine Klagebegründung eingehen, Punkt für Punkt. Das aber ist nicht mit ein paar flotten Sprüchen zu machen, wie sonst so von der Bahn gewohnt.

Sollten dann die Richter am VGH sich die Sache zu einfach machen und dem Antrag der Bahn auf Abweisung meiner Klage folgen, ohne sich inhaltlich damit zu befassen, dann werden wir einen öffentlichen Medienspektakel darüber entfesseln. Und wir werden damit vor das Bundesverfassungsgericht und wenn es sein muss auch noch vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. So billig lassen wir die S21-Macher nicht davonkommen, schon gar nicht beim Brandschutz!

Der Klageerhebung verdanken wir schon jetzt Erkenntnisgewinne: In den vom Gericht angeforderten Unterlagen finden sich viele bemerkenswerte Sachverhalte, so u.a. ein Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes an die Bahn mit der dringenden Empfehlung, für die beantragte Planänderung „ein Verfahren nach § 76 Abs. 1 VwVfG mit Beteiligung der Öffentlichkeit durchzuführen, weil die Zulässigkeit der Verlegung der Fluchttreppenhäuser bereits jetzt von einem Teil der Öffentlichkeit vehement in Frage gestellt wird.“ Das in Fettdruck hervorgehobene vor genau 2 Jahren.

Die Antwort der Bahn dazu „.. dass bei einem solchen Verfahren mit mehreren Tausend Einwendungen zu rechnen wäre, die den eigentlichen Gegenstand der Planänderung allenfalls am Rande streifen, sich dafür aber leidenschaftlich mit der Planrechtfertigung des Projektes Stuttgart21 insgesamt beschäftigen, haben wir uns aber dazu entschlossen, dieser Anregung nicht nachzukommen.“ Die Bahn scheut die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser.

Ein weiterer betrifft die Ausgänge der Fluchttreppen vor dem Nordausgang. Beantragt war zunächst, diese über Quertunnel in einer Rotunde zusammenzuführen mit Ausgängen in eine Art Amphitheater vor dem Gebäude der LBBW. Das wurde dann im laufenden Genehmigungsverfahren umgestellt auf Einzelausgänge mittels hydraulischer Bodenklappe für jede Fluchttreppe, mit Austritt unmittelbar auf die Heilbronner Straße.

Im Brandalarmfall soll der Verkehr auf der Heilbronner Straße durch Ampelschaltung angehalten werden, damit die auf die Straße Flüchtenden nicht überfahren werden. Begründet wird diese Umstellung damit, dass sonst ein Anheben der Heilbronner Straße um 1 Meter erforderlich gewesen wäre. Nun wurde gerade die Heilbronner Straße hier schon wer weiß wie oft im Zuge der S21-Baumaßnahmen hin- und her geändert und muss in ihrer künftigen Lage ohnehin noch neu gebaut werden – da wäre es auf diese Anpassung auch nicht mehr angekommen.

Nein, der wahre Grund für diese Änderung ist, dass die Grundstückseigentümer-Gemeinschaft von LBBW, Sparkassen-Verband und Sparda-Bank mit dem geplanten „Loch“ auf ihrem Grundstück vor dem LBBW-Gebäude nicht einverstanden waren, u.a. weil dadurch die Feuerwehrzufahrt zu ihren Gebäuden beeinträchtigt worden wäre (was schon die Feuerwehr hätte rügen müssen) und deswegen vor Gericht gezogen ist. Am Ende kam dann als Vergleich die jetzt genehmigte Lösung mit den Bodenklappen heraus. Das versucht die Bahn mit aller Gewalt unter dem Tisch zu halten.

Vor einer Woche hatten wir die 6. und vorerst letzte Runde der Einsichtnahme in die Liste der 1.700 Risiken. Diesmal ging es um die Risiko-Sachverhalte zum Brandschutz. Die von der Bahn hierzu vorgelegte Auflistung enthält 44 Sachverhalte, zumeist altbekanntes „Larifari“ wie Mehrkosten-Risiko durch die Umstellung von „trockene“ auf „nasse“ Löschwasserleitungen oder das Beimischen von PP-Fasern in den Beton zur Erhöhung der Sicherheit gegen Abplatzungen im Brandfall u.a.m.

Immerhin auch als Risiko angeführt, dass aufgrund des fortgeschriebenen Brandschutz-Konzeptes größere Entrauchungsgebläse benötigt würden als bisher vorgesehen.

Die wirklich großen Risiken gerade beim Brandschutz, etwa das Nicht-Erreichen der Schutzziele bei der Abnahmeprüfung vor Inbetriebnahme, fehlen nach wie vor.

Anschließend habe ich den Vertretern der Bahn unsere Sicht der Dinge zum Brandschutz vorgetragen mit der Feststellung, dass die vorgesehene Rauchabdrängung über die Lichtaugen durch Einblasen von Zuluft aus den Tunnel ungeeignet ist und stattdessen eine maschinelle Entrauchung über Abluftschächte auf dem Schalendach notwendig ist, wozu übrigens schon 2012 der Brandschutz-Gutachter GRUNER geraten hatte.

Dies aber würde bedeuten, den Weiterbau von Stuttgart 21 sofort einzustellen und alles neu zu planen – man kann später nicht einfach große Löcher in das dünne Schalendach schneiden und solche Schächte draufsetzen; das hielte die Konstruktion nicht aus.

Dies aber würde einen weiteren mindestens zweijährigen Bauzeitverzug bedeuten.


Warum dann nicht gleich mit dem Umstieg 21 beginnen? Mit dem bewährten oberirdischen Kopfbahnhof wäre man alle diese Probleme sofort los.

Deshalb: Nicht nachlassen - Dranbleiben – dabei bleiben - Oben bleiben!