Rede von Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, Ingenieure22 „Die Bahn plant, baut und ändert planlos, Medien und Politik bleiben wortlos"; 388. Montagsdemo am 9.10.2017
Liebe Freunde,
für Stuttgart 21 ohne die Neubaustrecke gibt es acht Planfeststellungsabschnitte – für zwei davon gibt es noch keinen Plan und für fünf gibt es insgesamt 75 Planänderungsverfahren (Stand II/2017). Ob da noch jemand genau weiß, was eigentlich gebaut werden soll? Bei so mancher Planänderung werden ganz erstaunliche Mängel des Projektes offensichtlich – doch Medien und Politik lassen die so oft genannte kritisch-konstruktive Haltung immer wieder völlig vermissen.
Ich möchte auf drei Probleme eingehen: Wolframstraße, S-Bahn-Rampe und „Rastatt 2“ in Stuttgart: Dass der neue S-Bahn-Tunnel vom Hauptbahnhof zur Mittnachtstraße an der Wolframstraße eine 2,5 Meter hohe Sperrmauer errichtet, wurde ja schon mehrfach dargestellt. In der Planfeststellung sind dafür in beiden Richtungen jeweils zweispurige Straßenschleifen zur Überquerung beschrieben, aber Fuß- und Radwege fehlten. Seit Ende Juli gibt es nun eine Planänderung (die 25. in diesem Abschnitt 1.5). Dort sind die Umfahrungsschleifen nur noch einspurig, aber es gibt einen gemeinsamen Fuß- und Radweg. Leider ist dieser aber auf der Südseite angeordnet, dort wo heute kaum jemand läuft oder fährt. Auf der Nordseite gibt es keinen. Dass diese einspurige Lösung sogar leistungsfähiger als die zweispurige ist, wird in einem Gutachten ausführlich begründet.
Bei der Planänderung ist doch den Experten der Bahn tatsächlich aufgefallen, dass sich hinter diesem S-Bahn-Tunnel bei Starkregen das Wasser stauen kann. Was man vorher vergessen hatte (so wie die Fluchttreppenhäuser im Bahnhof), hat man jetzt eingeplant – einen Düker, der das Wasser unter dem Tunnel hindurch leitet. Dafür werden zwei Kanäle mit je 2 x 1 Meter Querschnitt für erforderlich gehalten!
Die Stadt Stuttgart hat gegen diese Planänderung geklagt. Da sollte man doch denken, dass die Stadtverwaltung endlich wach geworden ist. Aber es geht nicht um die technischen Probleme, sondern nur um das Geld, wenn in irgendeiner erträumten Zukunft mal die Bahnbrücken über die Wolframstraße verschwunden sind und dann die Straße wieder gerade gebaut werden könnte.
Für eine verständliche Information der vielen betroffenen Bürger wäre eigentlich der sogenannte Infoladen in der Nordbahnhofstraße zuständig. Aber wenn man dort nachfragt, ist die Änderung des Planes nicht bekannt und es werden lieber 3D-Bilder des neuen Rosensteinviertels gezeigt. Der Bezirksbeirat Nord sollte die Bahn auffordern, ihre Neuplanungen öffentlich vorzustellen.
Für all diese Probleme gäbe es eine Lösung, aber dann müsste die S-Bahn „Oben bleiben“ und dieser Tunnel nicht gebaut werden. Aber diesen Umstieg will man einfach nicht machen. Im Gegenteil sollen ab November im Bereich der S-Bahn-Rampe wieder Arbeiten stattfinden, die eigentlich schon für 2012 geplant waren. Die Gleise 1 und 2 (oben) werden dazu teilweise wieder abgebaut und dort der Anfang des neuen Tunnels errichtet. Dann muss die Seitenwand der jetzigen Rampe geöffnet werden und das sogenannte „Pilzgleis“, das für den Notfall die Einfahrt der S-Bahnen in die Gleise 2 bis 5 ermöglicht, abgebrochen werden. Die Bahn hat vorgesehen, diese Arbeiten bis Anfang 2019 zu erledigen und darüber den Verkehrsausschuss des Verbandes Region Stuttgart im September informiert.
Die Damen und Herren Regionalräte aller Fraktionen haben sich in ihren Stellungnahmen nicht gescheut zuzugeben, dass sie die Baumaßnahmen nur teilweise verstanden hätten, dass sie aber von der Planung beeindruckt seien und hoffen, dass die gemachten Zusagen zum Erhalt der Leistungsfähigkeit der S-Bahn eingehalten werden können. Empörend fand ich, dass keinerlei Nachfrage zu den Beeinträchtigungen des S-Bahnverkehrs während der langen Bauzeit erfolgte – der Berichterstatter der Bahn hatte dieses Thema einfach ausgelassen. Ich weiß inzwischen, dass es mehrfach zur Komplettsperrung der S-Bahn kommen wird, allerdings kenne ich den Umfang nicht. Der Verkehrsausschuss muss diese Frage von der Bahn klären lassen und eine für uns als Fahrgäste zumutbare Lösung absichern – da bin ich dabei, die Fraktionen zu einem entsprechenden Antrag aufzufordern.
Seit Mai 2017 ist auch die 11. Planänderung im Abschnitt 1.6a genehmigt. Der Titel „Verschub Anschlagwand Untertürkheim“ weckt ja keine besonderen Erwartungen. Aber unsere Freunde von Zukunft Schiene in Untertürkheim haben den Bescheid weiter gelesen und da heißt es „die Tunnelbauart in bergmännischer Bauweise wird auf eine Länge von 19 Meter verlängert, die Länge in offener Bauweise reduziert sich entsprechend“. Gab es da nicht gerade Probleme beim Tunnelbau? Spätestens, wenn ein paar Seiten weiter zu lesen ist, dass damit „auf den Bau einer Hilfsbrücke verzichtet werden kann, um das unmittelbar westlich der Baugrube verlaufende Gleis weiterhin in Betrieb halten zu können“, dann ist klar, dass hier ganz genau hinzuschauen ist.
Beim bereits erfolgten Bau der Rettungszufahrt Benzstraße wurden in alle sechs davon betroffenen Gleise die Hilfsbrücken eingebaut und darunter konnte die Zufahrt in einem bewährten Verfahren erstellt werden. Aber für die beiden Tunnelröhren, die vom Abstellbahnhof unter dem Neckar hindurch nach Wangen gebaut werden sollen, ist nun klar, dass die dort bestehenden Gleise der Fernbahn, der S-Bahn und das Gleis der Schusterbahn (dieses läuft unmittelbar westlich der Baugrube) nicht mit Hilfsbrücken abgefangen werden, wenn darunter die neuen Tunnel gebaut werden.
Die Unterfahrungen werden in einem flachen Winkel erfolgen. Das war doch auch in Rastatt so. Zwischen der Tunneldecke und der bestehenden Geländeoberfläche mit den viel befahrenen Gleisen besteht nur eine geringe Überdeckung von 7 bis 10 Metern – in Rastatt war es kaum weniger. Es wird zwar keine Tunnelbohrmaschine eingesetzt und es soll auch nicht vereist werden, aber der zu querende Damm wurde erst beim Bahnbau aufgeschüttet. All das muss doch Anlass sein, den geplanten Tunnelbau noch mal ganz genau zu untersuchen, denn eine Unterbrechung bei Untertürkheim, das wäre ein zweites Rastatt.
Die Presse hat unsere Information zwar gern aufgenommen – ein klärender Beitrag über die Risiken und die besonderen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit beim Tunnelbau ist aber nicht erschienen. Wenn Minister Hermann formuliert, dass „die Havarie bei Rastatt ein Weckruf für S21“ sein soll, dann müsst auch ihr im grünen Verkehrsministerium endlich aufwachen und bei der Bahn die Alarmglocken schellen lassen. Sonst bleiben doch seine Äußerungen wie „er müsse alle Informationen erhalten, denn die Politik werde schließlich von den Bürgern in Verantwortung genommen“ nur leere Worte.
Aber genau dazu stehen wir hier und nehmen die Politik immer wieder in die Verantwortung. Ich schlage vor, dass das Aktionsbündnis sich an den Verkehrsminister wendet und ihn auffordert, bei der nächsten Lenkungskreissitzung am 27. Oktober auch detaillierte Auskunft über die Sicherheit des Tunnelbaus in Untertürkheim und das dafür vorgesehene Risikomanagement einzuholen. Natürlich auch zum Bauen im Anhydrit.
Wolframstraße, S-Bahn-Rampe und Tunnelbau in Untertürkheim, das sind nur ein paar Probleme des Murksprojektes Stuttgart 21. Da hatte die Stuttgarter Zeitung auch mal Recht, als sie dazu kommentierte „Planlos in die Zukunft“.
Aber an solchen Themen zeigen wir: „Ihr kriegt uns nicht los, aber wir Euch schon“!