Stuttgart 21 und die Überflutungsgefahr

Der Tiefbahnhof S21 als „Staudamm“ und die Risiken bei Starkregen

Gutachten zum Überflutungsrisiko durch das Vorhaben Stuttgart 21

Erstellt im Auftrag des Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. 31.05.2018
Verfasser: Dipl.Ing. Hans Heydemann/Stuttgart und Dr. Christoph Engelhardt/Garching bei München

ZUSAMMENFASSUNG

Einer der – bislang kaum beachteten - Mängel des Vorhabens „Stuttgart 21“ (wie der Rückbau der verkehrliichen Leistungsfähigkeit, der eigentlich unzulässigen Neigung der Bahnhofsgleise von 1,5%, der unzureichenden Sicherheit im Brand- und Katastrophenfall usw.) sind dessen nachteilige Auswirkungen auf das Abwassernetz der Stuttgarter Innenstadt und die daraus folgende Erhöhung des Überflutungsrisikos für die Stuttgarter Innenstadt.

Der Tiefbahnhofstrog zerschneidet sämtliche Abwasser-Hauptkanäle aus der Innenstadt; diese müssen deshalb gedükert unter dem S21-Trogbauwerk hindurchgeführt werden. Durch die Dükerung wird aber die bisherige Abflußleistung der bislang gerade durchlaufenden Abwasserkanäle deutlich verringert, was bei Starkregen-Ereignissen die Überflutungsgefahr der Innenstadt erheblich vergrößert.

Stuttgart 21 ist nicht nur ein Rückbau des Eisenbahnverkehrs, sondern auch ein Rückbau der Stadtentwässerung!

Bedingt durch die Kessellage Stuttgarts schießen bei einem schweren Sturzregen große Wassermassen von den Hängen herunter und strömen in den Nesenbach, der dann sofort gefährlich anschwillt. Darin unterscheidet sich Stuttgart von allen anderen Großstädten Deutschlands, die – von Wuppertal abgesehen, wo es übrigens am 29.5.2018 bei einem schweren Unwetter zu einer katastrophalen Überschwemmung kam – sämtlich im Flachland liegen, und Starkregen nach allen Seiten hin abfließen kann. Werden die Wassermassen bei einem schweren, länger anhaltenden Starkregen zu groß, können der Nesenbachkanal und die anderen Abwasser-Sammler diese Mengen nicht mehr abführen; das Wasser staut sich auf, tritt aus den Straßengullys aus und überflutet die Innenstadt.

Schon in der Vergangenheit hat es in Stuttgart immer wieder schwere Überflutungen als Folge solcher Starkregen-Ereignisse gegeben, mindestens 39 mal, im Schnitt etwa fünf je Jahrhundert. Angesichts des Klimawandels muss zukünftig mit einem häufigeren Auftreten sowie größeren Auswirkungen solcher Ereignisse gerechnet werden.

Die S21-Düker mit ihrer verringerten Abflussleistung der Abwasser-Sammler vergrößern damit merklich die Überflutungsgefahr für die Stuttgarter Innenstadt, weil schon geringere Regenmengen als bisher nicht mehr sicher abgeführt werden können. Nun sind geringere Regen aber weitaus häufiger als stärkere Regen; damit steigt auch die zu erwartende Häufigkeit von Überflutungen der Innenstadt deutlich an.

Erheblich verschärft wird dies noch dadurch, dass der S21-Tiefbahnhof quer zum Nesenbachtal verläuft und einen bis zu 8 m hohen Wall bilden wird, der die natürliche Abflussrinne im mittleren Schlossgarten wie ein Staudamm versperrt. Konnten bislang die Wassermassen bei einer Überflutung der Innenstadt in der Mulde des Nesenbachtales zum Neckar hin mehr oder weniger frei abfließen, so wird das zukünftig wegen dem Wall über dem S21-Tiefbahnhof nicht mehr möglich sein; das Wasser wird sich dann in der Senke der Schillerstraße und im Oberen Schlossgarten zu einem bis zu 3 m tiefen Stausee aufstauen, der die untere Königsstraße mit umfasst und dabei die Klett-Passage samt der tiefliegenden Stadtbahn-Haltestelle überschwemmt. Je nach Regenmenge kann dann auch die S-Bahn-Haltestelle Hbf (tief) geflutet werden und über diese sogar die S21-Tiefbahnsteighalle, wenn das Wassser in den Zugängen von der S-Bahn-Haltestelle hochsteigt.
Ein wochenlanger Ausfall des gesamten SSB-Stadtbahn-Betriebes sowie des S-Bahn-Verkehrs, u.U. gar des Fernverkehrs wird dann die unvermeidbare Folge sein, die wesentlich auf den Bau des S21-Tiefbahnhofes zurückzuführen ist.

Schließlich führt auch ein Anstieg des Grundwasserstandes über den sogen. „Begrenzungs-Wasserstand“ (BGW) hinaus zur selbsttätigen Flutung der S21-Tiefbahnsteighalle über die in den Trogwänden eingebauten Notflutöffnungen. Dies hat dann einen wochenlangen Ausfall des gesamten Eisenbahn-Verkehrs im Bahnknoten Stuttgart zur Folge – alle Züge müssen dann weiträumig um Stuttgart herumgeleitet werden.

Gleiches gilt für die S21-Neckartunnel nach Ober- und Untertürkheim, die bei Grundwasser-Anstieg oder einem Extrem-Hochwasser des Neckars ebenfalls zur Auftriebssicherung über Notflutöffnungen selbsttätig geflutet werden müssen – eine wochen- oder gar monatelange Unterbrechung des Zugverkehrsist dann unvermeidlich.

Völlig unverständlich ist bei alledem, dass dies alles vom Eisenbahn-Bundesamt in der Planfeststellung genehmigt worden ist, obgleich allen am Vorhaben „Stuttgart 21“ beteiligten Planern und Behörden das Überflutungsrisiko durch die Staudamm-Wirkung des Tiefbahnhof-Walls durchaus bewusst war, dies gegenüber der Öffentlichkeit aber bestritten oder heruntergespielt haben.

Allein schon zur Vermeidung der damit einhergehenden Überflutungsgefahr für die Stuttgarter Innenstadt hätte das Vorhaben Stuttgart 21 nie genehmigt werden dürfen!

Studie Überflutungsrisiken durch Stuttgart 21 (80 Seiten, ca. 7 MB). Die Bereitstellung und Veröffentlichung des Gutachtens auf dieser Seite erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 
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