Ungelöster Brandschutz in den S21-Tunnel
Es fällt auf, dass bei Fragen bezüglich des Brandschutzes bei S21 an Bahn, Ministerien und Behörden immer auf den Brandschutz des zukünftigen unterirdischen Hauptbahnhofs geantwortet wird, bei dem zwar noch Details zu klären seien, aber man auf gutem Weg sei. Fragen zum Brandschutz in den insgesamt 60 km langen Tunnelröhren bleiben - wenn überhaupt darauf eingegangen wird - mit teilweise abenteuerlichen Begründungen als mehr oder weniger gegenstandslos zurückgewiesen.
- Ein brennender Zug kommt nie im Tunnel zu stehen, er kann ihn immer noch aus eigener Kraft verlassen.
- In den Zügen kommen nur schwer entflammbare Materialen zum Einsatz, d.h. es gibt gar nichts zum Brennen. höchstens das Gepäck der Fahrgäste
Nun ja, es gibt erstens viele Gründe, dass ein Zug zum Stehen kommt und zweitens hat man gerade beim ICE-Brand bei Montabaur unschwer erkennen können, dass es sehr wohl brennbare Materialen auch in modernen Zügen gibt. ‚Schwer entflammbar' heißt nun mal nicht ‚unbrennbar'.
Zusammenfassung und Aktualisierung eines Briefs von RA Ulrich Ebert an die PSU vom 23.07.2018
Was passiert, wenn ein ICE mit brennendem Triebkopf vorne Richtung Tiefbahnhof vor einem Querschlag zu stehen kommt?
Dieses Brandszenario wurde von der Bahn am 30.01.2012 bei der Anhörung zum PFA 1.2 (Fildertunnel) als realistisch zugestanden, aber nicht beantwortet, allenfalls mit einem Hinweis auf Vorschriften.
Die Bahn beruft sich auf Vorschriften, obwohl schon der gesunde Menschenverstand sagt, dass diese Bau-Ausführung ggf. tödlich ist.
→Magazin stern: Brandschutzexperte: „Stuttgart 21 kann Deutschlands größtes Krematorium werden“
Die physikalischen Grundlagen in Kaprun (tödliche Brandkatastrophe vom 11.11.2000) und dem Fildertunnel sind identisch.
Die Bahn bestreitet das allerdings ohne nähere Begründung. Die Bilder der abgebrannten Zuggerippe von Montabaur und Kaprun sind vergleichbar, in Kaprun gab es allerdings beim Brand im Tunnel „155“ Tote, so auch der Titel eines Buchs zur Kaprun-Katastrophe.
Die Bahn mag anhand des Beispiels von Kaprun widerlegen, dass sich nach dem Brandereignis des ICE 511 vom 12.10.2018 dieser Geschehensablauf im Fildertunnel (oder den anderen Tunneln) wiederholen kann.
Brandschutz in den Stuttgarter Tunneln ungelöst:
Dass der Brandschutz im Fildertunnel ein völlig ungelöstes Problem darstellt, belegt M.Sc. Markus Heber, Stellvertretender Amtsleiter der Branddirektion Stuttgart auf dem Feuerwehr-Symposium Stuttgart am 21.04.2018 in seinem Referat →Neue Einblicke in den Brandschutz bei Stuttgart 21 wie folgt:
Rettung im Tunnel (Betriebsphase):
Vorgesehen ist ein Rettungssystem mit Zweiröhrenphilosophie. Das bedeutet, dass zwei Tunnelröhren parallel, eingleisig zueinander verlaufen und alle 500 m mit Querschlägen versehen sind. So kann bei einem Notfallereignis im Tunnel die betroffene Tunnelröhre verlassen werden, während die zweite Tunnelröhre zum Rettungstunnel wird. Dieser Tunnel soll dann zweispurig befahren werden können von Rettungsfahrzeugen der Feuerwehr und der Notfallambulanz, sowie von SSB-Linienbussen, die dann die Personen aus den Tunneln evakuieren sollen.
Bis heute ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, wie genau diese angedachte Art der Rettung erfolgen kann. Wo und wie können die Linienbusse in die Tunnelröhre einfahren? Wo und wie können die Rettungsfahrzeuge und Löschfahrzeuge einfahren? Wie lange würde eine Anfahrt von welchen Stellen aus bis zur möglichen Unfallstelle dauern? Wenn die Feuerwehr ihren Schienen-Löschzug einsetzen möchte, wie kommt dieser möglichst schnell von seinem Standort in Kornwestheim dorthin? Wie kann gewährleistet werden, dass die zweite Tunnelröhre dann nicht noch durch einen oder mehrere Züge belegt ist? Wie können die normal bereiften Fahrzeuge im Rettungstunnel überhaupt auf dem Gleis fahren?
Viele Fragen, deren Antworten nach wie vor offen sind und die im Ernstfall durchaus viele Leben kosten könnten.
Dieses bislang ungeklärte Problem der Rettung aus dem Tunnel zwingt zu der Frage:
Wie stellt sich die Rettungsaktion aus der Perspektive eines Fahrgastes dar, der sich aufgrund eines Brandes (Bemessungsbrand 53 Megawatt mit 150 Kubikmeter giftigem Rauch pro Sekunde) aus dem Tunnel retten kann/muss.
Was verändert sich an der Rettungsaktion, wenn der Fahrgast eine Mutter mit 2 Kindern ist oder ein Gehbehinderter.
Inbetriebnahmegenehmigung möglich?
Vor vollständiger und nachvollziehbarer Beantwortung dieser Frage ist die Erteilung einer Inbetriebnahmegenehmigung bei den unlösbaren Problemen in weiter Ferne bzw. unrealistisch. Dies ist zumindest für die Tunnel klar und einfach zu begreifen.
Im Rahmen eines UIG-Verfahrens zur Einsichtnahme in die bei der DB PSU identifizierten 1.700 Risiken wurden durch die PSU nur 2 Brandschutzrisiken im PFA 1.2 (Fildertunnel) benannt:
- Nassleitung
- Schleppkurve
Auf Nachfrage erklärte die PSU, dass es keine weiteren Brandschutzrisiken im Fildertunnel gäbe.
Diese „Unvollständigkeit“ der Brandschutzrisiken ist offensichtlich und lässt in Anbetracht der nicht zu leugnenden Risiken nur den Schluss zu, dass die PSU die wahren Brandschutz-Risiken im Fildertunnel (und auch den anderen Tunneln) vorsätzlich ignoriert oder absichtlich verschweigt. Nach den obigen Ausführungen von Herrn Heber sind die Brandschutzrisiken in den Tunneln noch nicht einmal konkret angedacht!
Terror:
Die Bahn bezieht sich auf das BKA und spricht von ernsthaft und konkret geplanten Terroranschlägen auf Züge (Schriftsatz der Bahn vom 24.04.2018 an den Verwaltungsgerichtshof (10 S 76/18)).
Frage: Wurde am 15.10.2018 ein solcher Terroranschlag in Köln verhindert?
Dies führt zu der Frage: Wie stellt sich konkret und im Einzelnen die Entfluchtung in einer durch Terror verursachten Paniksituation im Tunnel dar?
Zusammenfassung und Fazit:
- Die Bahn hat bislang keine realistische Bewältigung einer Entfluchtungs-Situation im Brandfall und Panikfall/Terrorereignis im Tunnel vorgelegt.
- Das bislang vorgelegte „Brandschutzkonzept“ für die Tunnel und insbesondere für den Fildertunnel ist völlig ungeeignet. Die Bahn baut die „Blaupause von Kaprun.
- Das EBA „genehmigt“ stets nur mit Vorbehalten und damit vollem Inbetriebnahme-Risiko zu Lasten der Bahn!
- S21 geht nach den obigen Darlegungen so wie konzeptionell geplant niemals in Betrieb. Es werden aber 10 Milliarden oder mehr EURO verbaut, um anschließend die Unmöglichkeit des Betriebs des Verkehrsknotens zu erkennen.
- Es ist erwartbar, dass Bahn und EBA der Allgemeinheit und dem Steuerzahler einen Milliardenschaden zufügen, da die Erteilung einer Inbetriebnahmegenehmigung aufgrund der derzeitigen Planung völlig illusorisch ist. Eine Nachrüstung ist mit wirtschaftlichen Mitteln und auch sonst nicht machbar.