Ingenieure22 bei der Planerörterung zu PFA1.6b
Presseinformation der Ingenieure22 vom 13.1.2020
Ingenieure22 bei der Planerörterung zu PFA1.6b (Abstellbahnhof Untertürkheim)
In wenigen Tagen, am 15., 16. und ggf. 17.Januar 2020 wird wieder um einen Planfeststellungsabschnitt des Projekts Stuttgart 21 gestritten. In der öffentlichen Erörterung zum Planfeststellungsabschnitt 1.6b, bei dem es im Wesentlichen um den Bau eines Abstellbahnhofs auf dem bisher als Güterbahnhof genutzten Gelände bei Untertürkheim geht, kann erneut die grundsätzliche Frage gestellt werden, ob für das Projekt überhaupt eine Planrechtfertigung besteht. Hatte man doch auf dem Weg zur „Planfeststellung in Teilen“ den gesamten Bauabschnitt in Bereiche zerteilt, von denen kein einziger ohne den anderen genutzt werden könnte. Weil es zudem Probleme bei der Planung der einzelnen Bereiche gibt, wurden die Abschnitte 1.6 (und 1.3) nochmal unterteilt, um kritische Punkte so lange wie möglich ausblenden und stattdessen schon mal ohne endgültiges Konzept bauen zu können. So kommt es, dass selbst 10 Jahre nach Baubeginn zwei Bereiche noch nicht einmal die Baugenehmigung haben, jetzt steht der Abschnitt 1.6b zur Erörterung. Laut Gesetz ist jeder Abschnitt als unabhängig zu sehen. Die Frage der Planrechtfertigung stellt sich damit bei jedem Planabschnitt wieder, für manchen Projekt-Befürworter eine schwer verdauliche Kost.
Die Kritiker des Projekts sprechen dem derzeit realisierten Bau die notwendige Zukunftsfähigkeit ab. Bis 2030 wird aus Klimaschutzgründen eine Verdopplung des Fahrgastaufkommens durch eine spürbare Verlagerung des Personenverkehrs von der Straße auf die Schiene angestrebt. Dies wird das Projekt Stuttgart 21 in der derzeitigen Form nicht erfüllen können, weil die Leistungsfähigkeit des 8-gleisigen Tiefbahnhofs nicht ausreichen wird und aus Sicherheitsaspekten wegen des mangelhaften Brandschutzkonzepts für das 60km lange Tunnelnetz zusätzliche Leistungseinbußen erfährt. Indem man mit der Lösung dieser betrieblichen Fragen bis zur Inbetriebnahme wartet, wird am Ende kein leistungsfähiger Bahnknoten in Betrieb genommen werden können, Stuttgart 21 ist ein Milliarden schwerer Rückbau von Bahninfrastruktur.
Um nicht noch mehr Steuergeld zu verprassen (für bis zur Hälfte der Kosten weiß man bis heute nicht, woher das Geld überhaupt herkommen soll), ist es geradezu notwendig, bei jeder neuen Planfeststellung die grundsätzliche Frage nach der generellen Planrechtfertigung zu stellen. Seit 2016 regen die Projektkritiker mit ihrem Vorschlag Umstieg21 eine kostengünstigere und leistungsfähigere Variante vor, die das bisher gebaute in weiten Teilen nutzen kann. Selbst die Bahn als Projektbetreiberin ist sich ihrer Sache nicht mehr sicher. So konnte man am 14.05.2019 in der Stuttgarter Zeitung lesen: „Bahn bereitet Notlösung für S21 vor“.
Die Träger öffentlicher Belange, Mitglieder der Ingenieure22 und weitere Einzelpersonen haben mit ihren Widersprüchen viel Kritik an dem Projekt geäußert, die jetzt unter der Moderation des Regierungspräsidiums zwischen Bahn und Kritikern verhandelt wird. Neben der grundsätzlichen Planrechtfertigung wird es um zahllose planerische Fehlgriffe gehen: Mangelhafter Brandschutz, Verstöße gegen einschlägige Vorschriften zum Bau von Eisenbahnanlagen (z.B. Tunnelrichtlinie), mangelhafte Berücksichtigung des Schienengüterverkehrs, unsinnige Gleisführung, grotesk unwirtschaftliche Betriebserfordernisse der neuen Infrastruktur, um nur einige der Kritikpunkte zu nennen.
Es werden spannende Tage werden.