2017-01-18: Brief an OB Kuhn wegen Verjährung der DB-Ansprüche
Die DB AG hatte nachweislich intern schon im März 2011 davon Kenntnis, dass das Vorhaben „Stuttgart 21“ erhebliche Mehrkosten über die Finanzierungsvereinbarung von 2009 hinaus erfordern werde. Ende 2012 stand die DB AG Mehrkosten in Höhe von 2,3 Mrd. € öffentlich ein. Die Ansprüche sind demzufolge bereits Ende 2014, spätestens jedoch Ende 2015 verjährt. [..] Brief
An Herrn Oberbürgermeister Fritz Kuhn persönlich
OFFENER BRIEF
Betr: Vorhaben Stuttgart 21, Klage der DB AG vom 23. Dezember 2016 auf Beteiligung an den Mehrkosten
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die DB AG hat, ihrer Pressemitteilung vom 23.12.2016 zufolge, beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage eingereicht gegen das Land Baden-Württemberg sowie gegen die Landeshauptstadt Stuttgart auf Beteiligung an den bislang nicht finanzierten Mehrkosten des Vorhabens Stuttgart21. Dabei hat die DB darauf verwiesen, dass dies jetzt erfolgt sei, um eine Verjährung der Ansprüche zu verhindern.
Diese Ansprüche sind jedoch schon längst verjährt, die Klage ist damit als unbegründet zurückzuweisen, wie sich aus aus Folgendem ergibt:
Nach § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Ansprüchen begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Die DB AG als Klägerin hatte nachweislich schon im März 2011 davon Kenntnis, dass das Vorhaben „Stuttgart21“ erhebliche Mehrkosten über die Finanzierungsvereinbarung von 2009 hinaus erfordern werde.
Dies folgt aus der Zusammenstellung der DB Projektbau GmbH „Chancen und Risiken“ v. 25.3.2011, bekannt unter der Bezeichnung „Azer-Liste der 121 Risiken“, s. Anlage 1.
Aus dieser Liste sind bereits wesentliche Kostenrisiken des Vorhabens klar erkennbar. Bei etwa einem Drittel der aufgelisteten Risiken sind bereits Mehrkosten ausgewiesen, die zusammen 1,253 Mrd. € ausmachen. Bereits zu diesem Zeitpunkt März 2011 hatte die DB also bereits von den Tatsachen Kenntnis erlangt, mit denen jetzt die geltend gemachten Mehrkosten begründet werden. Sie hätte diese Kosten auch bereits damals schon einfordern können.
Die Forderung auf Beteiligung der Projektpartner der DB an diesen Mehrkosten war folglich bereits am 31.12.2014 verjährt!
Anstatt diese Mehrkosten gegenüber den Projektpartnern geltend zu machen, wurde diese Liste von der DB AG zunächst streng geheim gehalten. Selbst den Projektpartnern gegenüber wurden die Kostenrisiken verschwiegen; der Öffentlichkeit gegenüber wurde wahrheitswidrig weiterhin behauptet: „Der vereinbarte Kostendeckel 4,526 Mrd. € gilt!“ (Stuttgarter Nachrichten v. 12.12.2012 „Stuttgart21 auf der Kippe“, s. Anlage 2) . Sowohl die Projektpartner als auch die Öffentlichkeit wurden damit vor der Volksabstimmung am 27.11.2011 von der DB AG über die Kosten des Vorhabens getäuscht.
Erst am 12.12.2012 - ein Jahr nach der Volksabstimmung – gestand Herr Dr. Volker Kefer, seinerzeit Technik-Vorstand der DB AG, Mehrkosten in Höhe von 2,3 Mrd. € gegenüber dem Finanzierungs-Vertrag von 2009 mit 4,526 Mrd. €. öffentlich ein.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Klägerin die Projektpartner Land Baden-Württemberg und Landeshauptstadt Stuttgart informieren müssen und eine Beteiligung an den Mehrkosten einfordern können. Legt man dieses Datum zu Grunde, so ist eine Forderung auf Beteiligung an den Mehrkosten auf jeden Fall seit dem 31.12.2015 verjährt!
Wir gehen davon aus, dass diese Einwendungen in einer Klage-Erwiderung berücksichtigt werden. Wir sind auch gerne bereit, die Landeshauptstadt weiterhin in der Zurückweisung dieser Forderung zu unterstützen und würden uns freuen, wenn Sie uns über das weitere Verfahren auf dem Laufenden halten würden.
Mit freundlichen Grüßen
Ingenieure22
Anlagen:
Anlage 1: DB Projektbau GmbH „Chancen und Risiken“ v. 25.3.2011
Anlage 2: Stuttgarter Nachrichten v. 12.12.2012 „Stuttgart 21: Auf der Kippe“