Rede von Dipl.-Phys. Wolfgang Kuebart „Kopfbahnhof für Stuttgart" auf der 486. Montagsdemo am 21.10.2019

Kopfbahnhof für Stuttgart

Versuch einer Gesamtschau – von Wolfgang Kuebart 21.10.2019

Ein provokanter Titel. Die einen werden ein Fragezeichen hinter den Titel setzen wollen, die anderen ein Ausrufezeichen. Für die Befürworter von Stuttgart 21 ist es geradezu ein Höllenfluch.

Hinweis: Nur ein Teil dieses Artikels wurde in meiner Rede anlässlich der 486. Montagsdemo am 21.10.2019 vorgetragen.

Vorgeschichte

Bei meinen Recherchen zu diesem Thema bin ich auf Artikel gestoßen aus einer Zeit, als noch alle Möglichkeiten offen standen. In der Rückschau ist es geradezu entsetzlich, zu lesen, wie haarklein alle Probleme, die wir heute nach und nach eröffnet bekommen, schon schwarz auf weiß nachzulesen waren. Damals wurden mit den Planfeststellungen 2005 und 2006 die Fehler in Gesetzeskraft verwandelt.

Vorgeschichte überspringen

2005_derFahrgast Stuttgart 21: Kopfbahnhof statt Kostenfalle
Ein reformierter Kopfbahnhof ist machbar von Volkhard Jung

Ich will hier nicht die ganze Geschichte nacherzählen, nur die Ereignisse ab 2013:

Anfang 2013 bis zur Sitzung des Aufsichtsrates der DB am 8.März 2013 hat es ordentlich gerumpelt und es sah mehr als einmal so aus, als würde das Projekt nun beerdigt:

20130126_StZ-S23 →Rechtsgutachten stellt Gleisrückbau in Frage

20130205_welt_S-21-Krise Neue Chance für Kopfbahnhof in Stuttgart

20130206_StZ-S02 Das Schweigen der Manager
Das Bundesverkehrsministerium wirft der DB-Spitze um Volker Kefer vor, die Kostensteigerung bei Stuttgart 21 monatelang verschwiegen und in dieser Zeit weitere Aufträge vergeben zu haben, um einen Ausstieg aus dem Projekt zu erschweren.
DB-Aufsichtsrat-Fehlinfo-Mehrkosten_10-Jahre-Neuplanung

20130206_StZ-S17 Nur Panikmache oder Zeit zur Umkehr?
Hofreiter: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende

Selbst die Kanzlerin Merkel warf sich damals in die Bresche: Stuttgart 21 muss gebaut werden (StZ und StN vom 18./19.2.2013) (von Weiterbau konnte damals nicht die Rede sein).

So musste Volker Kefer nochmal ins Rennen gehen und Druck auf die Vertragspartner ausüben, um den Fall von S21 zu verhindern. Interessant, wie einige Protagonisten aus dem Lager der Befürworter versuchen, die Kritik dem Aufsichtsrat der Deutschen Bahn vorzuenthalten.

20130223_StZ-S17Auch nach Kefers Mission bleiben Vorbehalte
[…] „Auch nach Kefers Mission bleiben Vorbehalte“ … Einen Tag nach der Sitzung des Lenkungskreises hat der Bahn-Vorstand Volker Kefer am Dienstag die Parlamentarier über die Kostensteigerungen informiert. […]. Dem SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel war nach dem Auftritt Kefers sehr daran gelegen, auf die Gefahren hinzuweisen, die eine Abkehr vom Tiefbahnhof mit sich brächten. „Dann wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Neubaustrecke nach Ulm gefährdet“, entnahm er den Ausführungen Kefers […]. Bernhard Maier (Freie Wähler) und Harald Raß (SPD) sagten, dass die Fraktionen, die Stuttgart 21 befürworten, deutlich gemacht hätten, dass die kritischen Worte von Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Verkehrsminister Winfried Hermann nicht die Meinung der Parlamente wiedergeben würden, in denen es Mehrheiten für S21 gebe. Dieses Signal müsse Kefer an den Bahn-Aufsichtsrat weitergeben.

Und angesichts der Kostensteigerungen kamen von den Projektpartnern Stadt und Land neben dem „Wir zahlen nicht mehr“ auch schon versöhnlichere Töne. Das war 2013, als noch alles hätte angehalten werden können und viele Milliarden Steuergeld in viel sinnvollere Ausbaumaßnahmen hätten gesteckt werden können.

20130223_StZ-S23 Land beteiligt sich vielleicht doch

2015 sah es so aus, als könnte die Entwidmung der Eisenbahngleise und damit das ganze Projekt aufgehalten werden.

20151201_StZ-S19 Privatbahner wollen Gleise erhalten
Privatbahner: 100 Züge täglich im Kopfbahnhof

Auch der SWR gab den Alternativen zu dem Milliardenprojekt eine Plattform.

20160613_swr Alternativen zum Milliardenprojekt: Kopfbahnhof doch noch möglich
http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/alternativen-zum-milliardenprojekt-kopfbahnhof-doch-noch-moeglich/-/id=1622/did=17590262/nid=1622/2my94g/index.html
Link geht leider nicht mehr!

Stuttgart 21 musste sich noch einmal der Kritik im Gemeinderat stellen, dank unermüdlicher Anträge aus den Lagern der Projektkritiker.

20161026 S21-Ausschuss mit Vortrag Leistung, Infrastruktur, Brandschutz und Nachbesserungen
Tagesordnung für die öffentliche Sitzung des Ausschuss "Stuttgart 21" am Mittwoch, 26. Oktober 2016, 08:30 Uhr im Mittleren Sitzungssaal des Rathauses, 4. Stock, Marktplatz 1:

  1. Leistungsfähigkeit des Bahnknotens Stuttgart 21

  2. Zukunftskonzept Infrastruktur
    Ausbaumöglichkeiten des Bahnknotens für ÖPNV und Regionalverkehr
    - mündlicher Bericht -

  3. Brandschutz
    - mündlicher Bericht -

Nach der Sitzung summierte Kontext einen eindeutigen Sieg zu Gunsten des Kopfbahnhofes.

20161109_kontext Elf zu Null für den Kopfbahnhof
Doch wir wissen alle, wie es weiterging. Man hat stur weitergebaut und die Augen vor den Problemen fest verschlossen.

Daran änderte auch die Anstalt vom 29.1.2019 nichts, in der die Probleme der Deutschen Bahn und von Stuttgart 21 glänzend recherchiert vor dem Bundesrepublikanischen Publikum vorgetragen wurden.

29.1.2019_ZDF ZDF "Die Anstalt" über Stuttgart 21

20190129_StZ Die Anstalt geht mit Stuttgart 21 ins Gericht

Die Nachbetrachtung in der bürgerlichen Presse spiegelt die Behandlung der Problematik der vergangenen Jahre wieder.

20190131_StZ-S15 Große Bühne für den Bahnhof
(ist sinnigerweise unauffindbar beim Portal der StZ, immerhin prangt dort ein Banner „Stuttgart 21: das Fass ohne Boden…“)
Die ZDF-Sendung „Die Anstalt“ hat sich mit der Deutschen Bahn und mit Stuttgart 21 befasst. Hat sie dabei auch Neues zu Tage gefördert? Fragt Christian Milankovic
[…] Seit Jahren läuft die Diskussion nach dem immer gleichen Schema: Projektgegner weisen auf einen Missstand hin, den sie ausgemacht haben, die Bahn und Behörden wiedersprechen der Darstellung und sehen sich auf der sicheren Seite. […]

Mehr „Beantwortung“ der Frage gab es nicht. Nur wir wissen, dass unsere Befürchtungen bisher fast alle eingetreten sind, was jetzt noch übrig ist, wird sich erst bei der Inbetriebnahme herausstellen, wenn ein Leugnen nicht mehr möglich ist.


Währenddessen erlebten wir die Megakrise im Autobau, Betrugssoftware bei der Abgasreinigung, Glaubwürdigkeitsverlust für das deutsche Ingenieurswesen und zwei sehr trockene Sommer mit Klimawandelproblemen zuhauf.

Eine der unterirdischsten Auseinandersetzungen in diesem Zusammenhang ist im Streit um die Gefängnisstrafen für wenigstens einige der Verantwortlichen im Abgasskandal festgehalten, auch das nur als Beispiel, wie die Auseinandersetzung in den unterschiedlichen Lagern geführt wird.

20190213_StZ-S17 CDU-Verband will Hermann im Gefängnis sehen
Zur „Versachlichung der Debatte“ schlug der Vorstand des CDU-Verbandes vor, …neben Stadler und Winterkorn (die Ex-Chefs von Audi und VW) … „Platz [zu] lassen für Resch, Hermann und Konsorten“, […] Für diese Aussage gab es Beifall.

Auf der gleichen Seite erfährt der Leser, dass sich nun die Grünen untereinander in den Haaren liegen.

20190213_StZ-S17 Grüne wegen Gäubahn über Kreuz
Baubürgermeister Pätzold widerspricht vehement dem Abgeordneten Gastel.
Der hatte angesichts einer längeren Unterbrechung der Gäubahn im Talkessel im Zuge der Arbeiten für Stuttgart 21 gefordert, die Eingriffe so zu gestalten, dass die Züge aus der Schweiz, dem Schwarzwald und vom Bodensee auch dann noch in den oberirdischen Hauptbahnhof einfahren können, wenn die Tiefstation in der City zwar schon in Betrieb, die Führung der Gäubahnzüge über den Flughafen ins Zentrum aber noch nicht möglich ist. […] Die erweiterte S-Bahn-Station sollte demnach bis zu drei Jahre nach dem neuen Filderbahnhof in Betrieb gehen. Und der soll – zusammen mit Stuttgart 21 – im Jahr 2025 fertig werden.

Währenddessen gerät die Bundesregierung zunehmend durch die breiter werdende Masse der Klimabewegung (Fridays For Future) unter Druck, was sich bei den Bemühungen zum Deutschlandtakt bemerkbar macht. Am 7. Mai 2019 auf dem Schienengipfel sagt Minister Scheuer den denkwürdigen Satz:

2019-05-07_Schienengipfel Erste Ergebnisse des Zukunftbündnis Schiene
„Parallel zu solchen Verbesserungen beim Service müssen wir vor allem unser Mammutprojekt, den Deutschlandtakt, rasch umsetzen, also das Ziel, dass sich künftig alle Züge jeweils zu festen Zeiten im Bahnhof treffen. (Min 15:17) Umsteigen wird dadurch deutlich leichter, Verbindungen werden zuverlässiger und Reisezeiten oftmals deutlich kürzer.“

Man möchte also auch von Seiten des Bundesverkehrsministeriums die Verdopplung der Fahrgastzahlen durch ein überzeugendes Verbindungsangebot erreichen und so viele Umsteiger vom Auto auf die Bahn gewinnen, nicht durch kurze Punkt-zu-Punkt-Städteverbindungen sondern durch ein gut vernetztes Linienangebot mit optimierten Umstiegszeiten.

Dass der Klimawandel auch etwas mit der Notwendigkeit einer Verkehrswende zu tun hat, das war kurz darauf in der StZ zu lesen. Und was das auch für Stuttgart 21 bedeutet:

20190608_StZ-S01 Klimakrise – radikale Wende nötig
Dass das Abbremsen des Klimawandels erhebliche Anstrengungen und womöglich unpopuläre Entscheidungen erfordert, zeigt eine Projektion des Stuttgarter Verkehrsministeriums. Darin wird untersucht, was geschehen muss, um das Klimaschutzziel der Bundesregierung zu erreichen. Demnach sollen die Kohlendioxidemissionen im Verkehrssektor im Jahr 2030 um vierzig Prozent niedriger sein als im Jahr 1990.

Um dies zu erreichen, ist eine Verdoppelung des öffentlichen Verkehrs in Baden-Württemberg erforderlich, was einen markanten Ausbau der Schieneninfrastruktur nötig macht. Dazu zählen die Elektrifizierung von Südbahn und Hochrheinbahn sowie der Ausbau der Gäubahn – solche Projekte müssen allerdings deutlich zügiger vorangetrieben werden als in der Vergangenheit.

Doch fast zeitgleich wird durch Recherchen des SWR ruchbar, dass Stuttgart 21 dafür nicht geeignet ist, wie es auch unsere Fachleute immer wieder betonen:

20190618_swr Recherchen-Deutschlandtakt | →Video zum Herunterladen

Minister Hermann wird in diesen Tagen oft befragt und äußert klar und vernehmlich, dass Stuttgart 21 eine Fehlentscheidung sei. Dafür wird er aus Befürworterkreisen teilweise übel beschimpft.

20190619_ntv Hermann: Stuttgart 21 ist eine Fehlentscheidung
[…] Man hätte mit einer Modernisierung der vorhandenen Struktur deutlich mehr aus dem Schienenknoten Stuttgart herausholen können - für weniger Geld." […]
"Je länger der Bau dauert, desto mehr Ärger haben wir im laufenden Verkehr, und desto teurer wird es am Ende."
[…] Niemand wisse allerdings, wann der Bahnhof am Flughafen Stuttgart, der auch zu Stuttgart 21 gehöre, fertig werde, sagte der Minister. "Der ist noch nicht mal angefangen worden" und sei "mindestens genauso kompliziert" wie der Bahnhof in Stuttgart.
Neben den explodierten Kosten wird der neue Stuttgarter Tiefbahnhof des Bahnprojekts laut SWR auch zu wenige Gleise habe, um zum Beispiel den geplanten 30-Minuten-Takt auf wichtigen Verkehrsachsen zu ermöglichen. Das gehe aus dem sogenannten Zielfahrplan 2030 hervor, berichtet der Sender. Gegner des Projekts hatten dies zuvor schon wiederholt kritisiert. Die Bahn erwartet dagegen keine Probleme mit dem geplanten "Deutschland-Takt".
Im SWR brachte Hermann einen "Kopfbahnhof light" ins Spiel. Demnach könne ein Teil des Kopfbahnhofes erhalten bleiben, um unter anderem Engpässe im Tunnel auszugleichen. Darüber müsse gesprochen werden, bevor das Gleisbett mit Gebäuden verplant werde, sagte Hermann dem Sender.
Projektpartner bei Stuttgart 21 sind das Land, die Stadt Stuttgart, die Region Stuttgart und der Flughafen Stuttgart. Die Bahn hatte im Dezember 2016 Klage gegen die Projektpartner beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht, um zu erreichen, dass sie sich an den Mehrkosten beteiligen. Mit der anhängigen Klage geht es aber kaum voran. "Die Bahn hat noch keine Erwiderung auf unsere Stellungnahme abgegeben und hat zwei Mal um Fristverlängerung gebeten", sagte Hermann. Er sei aber überzeugt, dass das Land gute Karten vor Gericht habe. "Denn das Land hat einst freiwillig für S21 bis zu maximal 930 Millionen Euro zugesagt, obwohl es dafür nicht zuständig ist."
SPD-Verkehrsexperte Martin Rivoir hielt Hermann vor, die Volksabstimmung von 2011 zu diskreditieren. Ähnlich äußerte sich der Verkehrsexperte der CDU, Thomas Dörflinger. "Stuttgart 21 ist durch den Volksentscheid legitimiert." Hermann müsse S21 konstruktiv begleiten.

Während die Argumente der Befürworter immer unsachlicher werden, werden die Vorschläge aus dem Verkehrsministerium immer konkreter.

20190621_stn-online Hermann: Kombi-Bahnhof besprechen

Weil die Kapazität bei Stuttgart für die Verkehrswende zu knapp ist, plädiert der Verkehrsminister für Zusatzgleise unter dem neuen Wohngebiet. […]
Der Zielfahrplan ist nicht öffentlich. Die Bahn-Baugesellschaft für Stuttgart 21 verneint mangelnde Kapazitäten für den Deutschlandtakt. Im Stresstest (2010) und nun im Zielkonzept S 21 werde ein Halbstundentakt für den Fernverkehr unterstellt. Eine Eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchung habe eine „wirtschaftlich optimalen Betriebsqualität nachgewiesen“. […]
Als Ergebnis der S-21-Schlichtung hatte Moderator Heiner Geißler vor dem Stresstest 2010 die „Erweiterung des Tiefbahnhofs um ein 9. und 10. Gleis“ gefordert. Dieser Vorschlag werde auch von der Bahn „für notwendig gehalten“, so steht es im Schlichterspruch. Auch der Verkehrswissenschaftler Gerhard Heimerl, der Stuttgart 21 erdachte, wollte zehn Gleise. 2011, nach dem Stresstest, forderten Geißler und Schweizer Eisenbahnexperten den Erhalt des Kopfbahnhofs und unterirdische Durchgangsgleise.
Hermann: Kein Erhalt des Kopfbahnhofs, aber Kopfbahnhof Light in der Ebene -1
Schienen unter die Grünzäsur (sie zeichnet den heutigen Gleisbogen nach)
BUND: Kombi-Bahnhof. „Wir haben Gespräche mit der Bahn und der Landesregierung geführt, in der Sache geben die uns recht, aber jeder verharrt in seiner Position, weil jeder die Kosten fürchtet“

Zur selben Zeit werden neue Kostensteigerungen berichtet, der Risikopuffer zu 8,2 Milliarden Euro Gesamtkosten wird freigegeben, ohne dass man den Kostenrahmen gefährdet sieht. Überall seien noch genug Reserven vorhanden. Wer soll das eigentlich noch glauben?

20190621_StZ-S20 Kosten für Stuttgart 21 steigen erneut
Risikoreserve von 495 Millionen Euro frei.
… Der SWR berichtete zudem, dass ein attraktiver Taktverkehr wegen zu geringer Kapazität von S21 nicht möglich sei und Stuttgart vom künftigen Deutschlandtakt abgehängt werde. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) fordert nun Nachbesserungen von der DB AG. So müsse im Interesse der Bahnkunden darüber nachgedacht werden, einen Teil des bisherigen Stuttgarter Hauptbahnhofs mit seinen 16 Bahnsteigen und der Zulaufstrecken zu erhalten. Auch Matthias Gastel, Grünen-Bahnexperte im Bundestag, fordert mehr Kapazität […]. Der Analytiker Christoph Engelhardt geht sogar von einer Verringerung der Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Bahnknotens um 30 Prozent aus. Die DB AG bestritt das und argumentierte, durch schnelle Abfahrten und digitale Leittechnik sei auf halb so vielen Gleisen sogar mehr Verkehr möglich.

Der Gemeinderat der Stadt Stuttgart gerät in Zugzwang, das Problem „Kapazitätsmangel für zukünftige Verkehrszuwächse“ in den zuständigen Gremien zu besprechen. Als Beispiel der Antrag der Grünen, der zu einer anzuberaumenden Sitzung noch vor der Sommerpause führt.

20190621_Gruene_Antrag-220-2019 Zukunft Bahnknoten

20190622_StZ-S25 Der Kampf um die Deutungshoheit bei S21
Anders als bei Kosten und Terminen, wo Fakten nicht mehr zu leugnen sind, tobt vor allem bei der Frage der Leistungsfähigkeit ein erbitterter Kampf um die Deutungshoheit. Kritiker weisen darauf hin, dass bei Stuttgart 21 aus 16 Kopfbahnhofgleisen acht Gleise in einer Durchgangsstation werden, und ziehen aus dieser Reduzierung den Schluss, dass der Tief- dem Kopfbahnhof unterlegen sei. […]. 35 ankommende Züge in der Spitzenstunde im Kopfbahnhof könnten nicht mit 30 ankommenden Taktzügen bei S21 verglichen werden….

20190625_StZ Palmer: vier zusätzliche Gleise nötig

20190627_StZ-S01: Stuttgart 21 im Fokus
Die Bahn und das Land sollen im Rathaus Auskunft über die Kapazität des neuen Bahnhofs geben. Kann er den angestrebten Mehrverkehr auf der Schiene abwickeln? Oder braucht es weiterhin Kopfbahnhofgleise?

20190627_StZ-S21 Fahrplantüftler sehen noch Luft nach oben
Oder braucht es weiterhin Kopfbahnhofgleise, die nach jüngsten Ideen von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) unter die Erde verlegt werden sollen? Antworten auf diese Fragen erhofft man sich im Rathaus von einer Diskussion im für Stuttgart 21 zuständigen Ausschuss, der das nächste Mal am 16. Juli tagt. […]. Die Frage, wie leistungsfähig der Bahnhof in Stuttgart wird, ist für das Rathaus auch aus städtebaulicher Sicht entscheidend. Bräuchte es weiterhin Kopfbahnhofgleise, würden Teile des geplanten Rosensteinviertels infrage gestellt. Man dürfe nicht vergessen, „dass das Projekt S 21 nicht nur ein Verkehrsprojekt, sondern auch ein Städtebauprojekt ist“.

Die CDU streitet mit dem Koalitionspartner, den Grünen…

20190627_StZ-S21 Grüne und CDU im Landtag streiten über S21
[…] Die Grünen haben in ihrer Kreismitgliederversammlung beschlossen, dass diese Zusatzgleise unterirdisch geführt werden könnten, um den Wohnungsbau nicht zu gefährden. Bei S 21 gibt es zur Kapazitätserhöhung und für verbesserte Abläufe bekannte Überlegungen für eine P-Option (Verbindung der Zulaufstrecken aus Feuerbach und Bad Cannstatt), weitere Gleise aus Feuerbach und den Anschluss der Gäubahn an den Tiefbahnhof, wobei die Finanzierung völlig offen ist.

und die Grünen streiten untereinander zwischen Land, Stadt, Baubürgermeister und Verkehrsministerium.

20190629_StZ-S24 Grüne S-21-Partner streiten um Flächen
[…]. Im Rathaus ist man über den Vorstoß von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) Gleise zum Kopfbahnhof zu erhalten, alles andere als amüsiert. Dass das Ministerium ohne Wissen der Stadt bei jenem Planungsbüro die Chancen für beibehaltene Gleise auslotete, das siegreich aus dem städtebaulichen Wettbewerb Rosenstein hervorgegangen ist, wertet man als grobes Foul. […] An der Grundidee, den Eisenbahnverkehr aus dem Südwesten des Landes, die sogenannten Gäubahnzüge, über einen Halt am Landesflughafen in die Innenstadt zu leiten, will Hermann festhalten. Sein Vorstoß habe darauf keine Auswirkungen, „weil die Anbindung des Landesflughafens über die Gäubahn vertraglich in der Finanzierungsvereinbarung festgelegt ist. […]

Erstaunlich, wer alles sich zu Wort meldet und woher die jeweiligen Personen wissen, was sie behaupten.

20190702_StZ-S18 CDU fordert Klarheit von Hermann
Minister Hermann habe über den Erhalt von Kopfbahnhofgleisen im Untergrund räsoniert.
Razavi lehnt diese ab. „Hermanns Vorschläge verschlechtern den verkehrlichen Nutzen des Projekts.“ […] dass das Land zur Führung der Gäubahnzüge über den Flughafen stehe. „Aber mit dem Erhalt der Anbindung der Panoramabahn wäre es möglich, darüber hinausgehende Angebote zum Stuttgarter Hauptbahnhof zu fahren“, so der Minister

Die Deutsche Bahn weist mal wieder auf allen Kanälen alle Vorwürfe wie gewohnt zurück. Doch das glaubt man in unseren Kreisen schon lange nicht mehr. Spannend bleibt lediglich, wann sie den Offenbarungseid schwören muss, wenn es gar nicht mehr anders geht.

20190703_StZ Deutschlandtakt: Deutsche Bahn weist Vorwürfe zurück
[…] Der Südwestrundfunk hatte Ende Juni berichtet, der neue Durchgangsbahnhof sei den im Entwurf für den Deutschland-Takt vorgesehenen Zugzahlen nicht gewachsen. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte aus den Berichten die Forderung abgeleitet, Kopfbahnhofgleise zu erhalten, und damit energischen Widerspruch im Rathaus ausgelöst. […] Die 36,5 stündlichen Fern- und Regionalzüge, die der derzeitige Entwurf für Stuttgart vorsieht, seien zwei Drittel mehr als das heutige Angebot. Fernverkehr im Halbstundentakt sei „ausdrücklich nicht auf allen, sondern nur auf ausgewählten Achsen vorgesehen“ […]

36,5 Züge zwei Drittel mehr als das heutige Angebot? Wieviele Züge zählt man dabei hier und da und was lässt man unter den Tisch fallen? Weiß die Bahn selbst, was sie zählt?

Auch Minister Hermann weiß sich des Presseapparats zu bedienen, so liest man kurz darauf in der StZ und hört und sieht im SWR etwas zu den Forderungen nach einem kleinen Zusatz-Kopfbahnhof.

20190706_StZ Verkehrsminister fordert neuen Mini-Bahnhof

20190707_swr Hermann: Kopfbahnhof light (Video)
Hermann: Bahn hat unseren Recherchen widersprochen
Wird Stuttgart 21 zum Nadelöhr in diesem Deutschlandtakt?
H: Es wird sicherlich ein Engpass werden, wenn man bedenkt, dass Bund und Land eigentlich doppelt so viele Fahrgäste auf die Schiene bringen wollen, Stresstest erlaubt plus 30%, nicht plus 50 und nicht plus 100%. Nimmt Bezug auf den Bericht des SWR zum Deutschlandtakt, Züge können nicht aufeinander warten, lange Umsteigezeiten, man muss nachbessern. Gäubahn/Panoramabahn noch immer kein Konzept, vom Norden her fehlt ein 5. Und 6. Gleis.
Kopfbahnhof erhalten? Das wird so nicht mehr möglich sein, aber einen Teil erhalten für Gäubahnanbindung und S-Bahn-Ersatzgleise. „Kopfbahnhof Light auf Ebene Minus 1“, sprechen, bevor das Gleisvorfeld verplant wird.

Zwischendurch: Auch von SÖS-Linke-Plus gibt es einen Antrag zum Stuttgart 21 Desaster:

20190709_SoeS-Li-PluS Schienenengpass S21 verhindern – Alternativen ehrlich diskutieren

Wegen Hermanns Äußerung ist der Vorsitzende des Vereins „Stuttgart 21 erleben“ Brunnhuber beleidigt, in seinem Abschiedsinterview beschwert er sich bitter über Minister Hermann: Bemerkenswert, dass eine ministerielle Äußerung die Glaubwürdigkeit einer Behauptung in Frage stellen kann. Das liegt nur daran, weil für die Behauptung der Bahn jeglicher Beweis fehlt. Das weiß auch Herr Brunnhuber.

20190711_StZ-S22 Minister hat echten Schaden angerichtet sagt Brunnhuber
[…] Der Minister hat immer schon eine gewisse Aversion gegen Stuttgart 21 gepflegt. Man hat das zur Kenntnis genommen, ohne es weiter zu diskutieren. Aber nun hat er echten Schaden angerichtet, dadurch, dass er die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs angezweifelt hat. […] Nullkommanull. Im Gegenteil: Der Vertreter des Landes aus dem Verkehrsministerium hat vor nicht allzu langer Zeit im Lenkungskreis deutlich gemacht, dass die Leistungsfähigkeit gegeben ist. […] Ansonsten verweise ich auf die Aussagen des Stuttgarter Baubürgermeisters Peter Pätzold, der klargemacht hat, dass die Stadt auf den frei werdenden Flächen Städtebau betreiben will.

So etwas kommt natürlich auf der zweiten Seite und Brunnhuber darf exponiert nachsetzen: „Der Minister hat das wider besseres Wissen getan.“ Unglaublich.


Aktuelle Entwicklungen

Lasst uns beginnen mit der am 16. Juli 2019 anberaumten öffentlichen Sitzung des Ausschuss Stuttgart 21/Rosenstein im Stuttgarter Rathaus.

Am Tag der Sitzung liest man den eigentlich in der Sitzung zu besprechenden Arbeitspunkt aus Sicht der Deutschen Bahn bereits in der Zeitung. Die Bahn will die Deutungshoheit über Stuttgart 21 behalten.

20190716_StZ Bahn erteilt Kopfbahnhof eine Absage

20190716 Ausschuss Stuttgart 21/Rosenstein
TOP 1 Bahnknoten Stuttgart u. a. Antrag Nr. 220/2019 vom 21.06.2019
- mündliche Berichte durch die Deutsche Bahn, Verkehrsministerium BW und Verband Region Stuttgart –

Der ebenfalls vorliegende Antrag von SÖS-Linke-Plus wird gar nicht erst erwähnt.
Erst am Tag drauf bekommen auch die Zeitungsleser einen Eindruck von den aufeinander geprallten Ansichten im Ausschuss Stuttgart 21 / Rosenstein der anderen Sitzungsteilnehmer.

20190717_StZ-S19S21- Debatte über zusätzliche Station am Bahnhof
[…] Der Deutschland-Takt soll im Fern- und Regionalverkehr künftig jede halbe Stunde eine Verbindung mit günstigem Umstieg bringen. Dazu brauche man keinen Ausbau der Zulaufstrecken, so Krenz. Eine Ergänzung mit einem Kopfbahnhof sei „auch für den weiteren Bedarf nicht notwendig“. Das sieht das Land anders. Betrachte man alle Zugarten, so Abteilungsleiter Gerd Hickmann aus dem Verkehrsministerium, sei eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen „mit der geplanten Infrastruktur noch nicht erreichbar“. Man brauche Ergänzungen, denn Regionalzüge würden durch die Ausweitung des Fernverkehrs verdrängt, […] „Wir würden den Vorschlag nicht machen, wenn wir nicht glauben würden, dass wir ihn brauchen“, sagte Lahl. […] der Erhalt des Kopfbahnhofs sei die bessere Lösung, so Hannes Rockenbauch für SÖS/Linke-plus. Es sei klar, dass Stuttgart 21 den Deutschlandtakt-Zielfahrplan 2030 nicht bewältigen könne. Am Rande der Sitzung verteilte er eine Untersuchung des S-21-Kritikers Christoph Engelhardt, der aus dem Zielfahrplan im Tiefbahnhof bei 52 Zügen in der Spitzenstunde an den Bahnsteigen vier Dreifach- und 15 Doppelbelegungen sowie 26 Haltezeiten unter drei und davon 14 unter zwei Minuten herausliest. Der Bahnhof sei überbelegt, so Engelhardt.

Typisch, dass Christoph Engelhardt in der Sitzung nicht sprechen durfte. Bahnvorstand Krenz dagegen las einen vorbereiteten Text vor, dessen Inhalt man schon vorher aus den Veröffentlichungen des gleichen Tages kannte und der in seiner Einfältigkeit so völlig am Problem vorbei flog, dass es fast schon peinlich war. Wer die Sitzung mit verfolgt hatte, witterte Morgenluft für unsere Vorstellungen, den Kopfbahnhof zu erhalten, sah die vorgelegte „Light-Lösung“ als Fuß in der Türe. Einer der bemerkenswertesten Sätze aus dem Verkehrsministerium: „Wir würden den Vorschlag nicht machen, wenn wir nicht glauben würden, dass wir ihn brauchen“. Doch das genügt den Projektbefürwortern offenbar nicht, auch einmal darüber nachzudenken, wie es mit der Zukunft des Verkehrs in dem Tiefbahnhöfle aussieht angesichts Klima- und Mobilitätswende, wenn schon unter heutigen Umständen die Leistungsreserve strittig ist, ganz abgesehen von den begleitenden Streitpunkten Brandschutz und Störanfälligkeit.

Minister Hermann äußerte sich auch in den folgenden Tagen mit einer Replik auf das Abwiegeln der Deutschen Bahn, die alle Probleme bestritt.

20190719_StZ-S01 Hermann sieht Engpässe bei-S-Bahn
[…] Hermann begründet seinen Vorstoß mit der Sorge, das Stuttgarter S-Bahn-System sei der politisch angestrebten Fahrgastzunahme nicht gewachsen. Der Bahn macht er indirekt den Vorwurf, dies bei ihrer Betrachtung der Leistungsfähigkeit von Stuttgart nicht mit zu bedenken. „Die Bahn bezieht sich in ihren Äußerungen auf den Fernverkehr, für den sie zuständig ist. Sie redet nie über die S-Bahn.“ […]

Für uns als große Enttäuschung liest man dann in derselben Zeitungsausgabe drei Tage nach der Sitzung im Rathaus eine deutliche Absage an den Erhalt des Kopfbahnhofs, was, wenn man das Vorfeld betrachtet, bis es zu dieser Sitzung kam, man zumindest nachvollziehen kann.

20190719_StZ-S18 Gleise oben kann man sich abschminken
[…] Die Arbeitsgruppe soll zunächst einmal einige Fakten checken. Schließlich gibt es ja auch unterschiedliche Einschätzungen, ob es den Bedarf für einen zusätzlichen Halt wirklich gibt. […] Es wird aber in der Gruppe nicht nur über diese Station geredet, sondern über den gesamten Knoten. Wo gibt es da im Zulauf Engpässe? Wo müssen wir noch nachlegen? […] Wir haben Prämissen gesetzt. Stuttgart 21 wird gebaut, so wie es in der Finanzierungsvereinbarung festgelegt ist. Daran wird nicht gerüttelt. Wir anerkennen, dass die Stadt als Eigentümerin über die Flächen verfügt. Und zuletzt darf der Baufortschritt nicht gestört werden. Über allem steht die Frage, wie wir die Verdoppelung der Fahrgastzahlen hinbekommen. Und zwar nicht nur im Fernverkehr, sondern auch bei den Regionalzügen und den S-Bahnen. Meine Einschätzung ist, dass wir das auf der bisher geplanten Infrastruktur nicht schaffen. […] Die Verdopplung ist ja ein neues Ziel. Und die Bahn bezieht sich in ihren Äußerungen auf den Fernverkehr, für den sie zuständig ist. Sie redet nie über die S-Bahn. […]

Dass nebenher die Baukosten explodieren, ist im Moment nur ein Nebenschauplatz.

20190719_StZ-S18 Bei Stuttgart 21 explodieren die Baukosten
(diesen Beitrag sucht man in der online-Ausgabe vergebens)
[…] Die 20 Aufseher des Staatskonzerns gaben den Risikopuffer von 495 Millionen Euro frei und genehmigten, dass die Investitionen für S 21 damit von 7,7 auf 8,2 Milliarden Euro erhöht werden. Als Begründung werden höhere Preise genannt, besonders im Ingenieurbau von Brücken und Tunneln. Es gebe „nicht vorhersehbare Entwicklungen“. […]

Eine Arbeitsgruppe war gebildet worden zwischen Bahn, Verkehrsministerium, Stadt.

20190719_StZ-S18 Arbeitsgruppe soll rasch tagen
[…] auf die Frage einer Ergänzungsstation eingeengt werden soll. Im Rathaus belässt man es offiziell bei der Feststellung, OB Fritz Kuhn (Grüne) habe festgelegt, dass Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) und die mit der rechtlichen Koordination bei S 21 betraute Andrea Klett-Eininger zu der Arbeitsgruppe gehören sollen. […] „Wir haben beschlossen, dass in der nächsten Sitzung des Verkehrsausschusses am 2. Oktober der Ministerialdirektor Lahl und der Abteilungsleiter Hickmann die Idee erklären sollen.“

Ob es nicht doch sinnvoll ist, den Kopfbahnhof zumindest in Teilen zu erhalten, wenn sich nun doch die Meinung durchsetzt, dass man nicht genügend für die Zukunft gerüstet ist? Selbst der eher dem Projekt nahestehende Journalist der StZ Christian Milankovic stellt in seinem Kommentar zur Debatte fest: „Wo es einen Bedarf und Gleise gibt, bleiben diese an Ort und Stelle.“ Aber das ist ja nur eine vernünftige Ansicht, was ist an diesem Projekt jedoch vernünftig?

20190722_StZ-S01 Leitartikel: Riskantes-Spiel-am-Rosenstein
[…] Denn sollte am Ende der Beratungen die Erkenntnis stehen, dass es einen verkehrlichen Bedarf für weitere Gleise in der Innenstadt gibt, dürfte der nun beworbene Plan von einem unterirdischen Kopfbahnhof schnell zu den Akten gelegt werden. Wo es einen Bedarf und Gleise gibt, bleiben diese an Ort und Stelle. […] erst einmal wieder vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen muss. Hinter dem Rücken der Stadt bei den Teilnehmerbüros des städtebaulichen Wettbewerbs Rosenstein auszuloten, wo Gleise liegen könnten, oder über Schwachstellen der S-Bahn zu räsonieren, ohne die dafür zuständigen Regionalräte einzubinden, schafft kein Vertrauen unter den Projektpartnern. […]

Unvereinbar sind die Positionen der Verkehrsexperten und der Städtebauer.

20190723_StZ-S17 Rosensteinquartier soll Modellviertel werden
Die Stadt hält unabhängig von der aktuellen Debatte über zusätzliche Gleise für S 21 an ihren Planungen fest.

Da ist es erfrischend, wenn dieser Spagat auch einmal ausgesprochen wird. Doch das liest man nur in Medien, die nicht Mainstream sind.

20190724_kontext_Gaukelei mit Kapazitäten
[…] Gelegentlich ist es hilfreich, zunehmend verwirrende Konstellationen auf ihre Essenz reduziert zu betrachten. Also: In Stuttgart soll ein funktionierender Kopfbahnhof durch einen unterirdischen Durchgangsbahnhof ersetzt werden. Und weil sich irgendwann zeigt, dass der unterirdische offenbar nicht genug wird leisten können, soll er durch einen kleinen Kopfbahnhof ergänzt werden. Zu diesem Zweck soll nicht etwa ein Teil des alten Kopfbahnhofs an der bestehenden Stelle belassen, sondern die Gleise sollen erst einmal abgerissen und dann tiefer gelegt werden. Damit oben gebaut werden kann, was der Stadt Stuttgart sehr wichtig ist. […]

20190727_StZ-S18 Leserbriefe zum Tiefbahnhoefle

  • 1250 Eisenbahnbrücken in Deutschland sind abrissreif, davon 141 in Baden-Württemberg

  • Der Stuttgarter Hauptbahnhof dient zu 80 Prozent dem Ziel- und Quellverkehr. Für die restlichen 20 Prozent wird der Tiefhaltepunkt gebaut, damit diese schneller von Paris nach Bratislava kommen. Daraus die Konsequenz gezogen: „Wo es einen Bedarf auf Gleise gibt, bleiben diese an Ort und Stelle“

Man konnte es schon 2005 und früher lesen. Die mangelnde Kapazität der Zulaufgleise müsste erweitert werden, der Mischverkehr auf den Gleisen nach Feuerbach und Zuffenhausen wie auch auf den Gleisen nach Norden müsste aufgehoben werden, wenn man an die Verdopplung der Fahrgastzahlen denkt. Weitere Vorschläge, die S-Bahn betreffend:

20190802_StZ-S21: FDP: Neuen Tunnel für S-Bahn prüfen
„Die logische Konsequenz aus der Erkenntnis, dass die Kapazitäten auch mit der neuen Signaltechnik ETCS nicht reichen, um eine Verdoppelung der S-Bahnfahrgäste zu ermöglichen, und dass der eine Tunnel störanfällig und ein Engpass bleibt, ist der Bau einer zweiten Stammstrecke“, sagt Kai Buschmann

Noch in der Sommerpause wird weiter auf Minister Hermann gefeuert, dieses Mal aus den Reihen der SPD. Aber das ist man ja von Hern Rivoir gewohnt, der ähnlich wie Frau Razavi gern in der Front der Wadenbeißer agiert, weil er sich wie sie wenig um die Fakten kümmert. Möglich ist das aber nur, weil das Verkehrsministerium den Spagat versucht, einerseits das Projekt im Ist-Zustand gesund zu beten und nur den Zukunftsfall als Problem darstellen will.

20190905_StZ-S20 S21: SPD im Landtag geht Hermann an
Nach Lektüre der von Hermanns Amtschef Uwe Lahl verfassten Antworten fällt Rivoirs Einschätzung eindeutig aus: „Wie erwartet kann das Verkehrsministerium keinen einzigen Beleg dafür liefern, dass es im und wegen des neuen Bahnhofs S21 zu Engpässen im Schienenverkehr kommen wird“, so Rivoir auf Anfrage.

Er könnte noch weniger dazu sachlich beisteuern. Politisches Wettern ohne sachliche Wahrheit.

20190917_StZ-S11 Bekommt Frankfurt bis 2035 einen Tiefbahnhof
DB-Strategie „Starke Schiene“ […] Das Tunnelprojekt könnte den Fern- und Regionalverkehr entkoppeln, der sich oft gegenseitig behindert: […] Für mehr Regionalzüge und S-Bahnen würden oberirdisch dringend benötigte Kapazitäten frei. […] nicht um eine Neuauflage des umstrittenen Vorhabens Frankfurt 21 gehe. In den 1990er Jahren wollte die DB AG […]

Ein wirklich zentraler Artikel, der die ganze Problematik der Gäubahn umfassend beschreibt, findet sich in Bahn-Report.

20190901_Bahn-Report Gäubahn und Panoramabahn könnte zum Super GAU werden
Führung der Gäubahn im Flughafenbereich noch nicht einmal endgültig planfestgestellt.
dass die Baustellenzufahrt für die S-Bahn-Anbindung Stuttgart-Nord „für vier Monate über die Gäubahntrasse geführt werden… der Bahndamm der Gäubahn im Bereich des S-Bahn-Baufelds zum Teil abgetragen werden “ORQ . Eine Auferlegung zur Wiederherstellung der Gäubahn-Trasse war im Rahmen der Planfeststellung …zurückgewiesen worden. … heute… bis zu drei Jahre dauern könne.
„Das Ziel der Stadt Stuttgart, den Autoverkehr um 20 Prozent zu reduzieren, wird damit völlig konterkariert. (Fraktionsvorsitzender der BB-Kreis-Grünen Roland Mundle)
Pätzolds, dass es um nie etwas anderes als Städtebau gegangen sein kann
Die bis dato aus der Stadt Stuttgart kommenden Vorschläge eines Gäubahn-Bahnsteigs am Nordbahnhof vermögen die Probleme der Pendler und Fernreisenden jedenfalls nicht zu lösen, sondern verlagern sie lediglich.
Stuttgart-Pendler aus seinem Landkreis im südlichen Speckgürtel der Landeshauptstadt zu den Hauptbetroffenen einer Kappung.
gleichgültigen Haltung des Regionalparlaments aus der Stadt Stuttgart und den umliegenden Landkreisen, dem Verband Region Stuttgart (VRS)
Noch 2019 behauptet die PSU, eine Gäubahn-Unterbrechung von mehr als zwei Jahren könne man nicht bestätigen.
Dramatik der Situation vor allem in den südlichen Regionen des Landes noch gar nicht richtig angekommen.

(Siehe auch bei SÖS Linke Plus den Artikel Klarheit bei Gäu- und Panoramabahn schaffen)

Eine erste Zusammenfassung der Ausschussergebnisse wird vor dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik am 1.10.2019 gegeben.

20191001_LHS_Sitzung Ausschuss-Stadtentwicklung und Technik; Beratungsunterlage 964/2019: Bau eines Haltepunktes auf der Panoramastrecke im Bereich des Nordbahnhofs: Gemeinsame Planung mit dem Verband Region Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg

Online erfahren wir kurz nach der Sitzung, was im Ausschuss besprochen wurde und wer wo steht.

20191001_stz-online Erste Prämissen für den Schienenbau nach S21

In den Printmedien dauert es etwas länger und Konstantin Schwarz‘ Autorenschaft verschwindet.

20191004_StZ-S23 Prämissen für den Schienenbau nach S21
[…] In zwei Sitzungen, das berichtete Andrea Klett-Eininger, Leiterin des persönlichen Referats von OB Fritz Kuhn (Grüne), vor dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik, habe sich die Gruppe bisher auf sechs Prämissen verständigen können. […] Von allen Mitgliedern akzeptiert wird laut Klett-Eininger die Aussage der Bahn, dass das auf 8,2 Milliarden Euro veranschlagte Projekt den geplanten Deutschlandtakt bewältigen könne. Dabei soll im Fernverkehr auf jeder Verbindung alle halbe Stunde ein Zug fahren. Alle Bestandteile von S 21 würden umgesetzt, die Führung der Gäubahn über den Flughafen gehöre dazu. Dazu gibt es massive Kritik aus Leinfelden-Echterdingen. Die Kommune befürchtete einen Engpass durch die Gäubahn und als Folge die Einstellung einer der beiden sie erreichenden S-Bahn-Linien. Für Stuttgart habe der Städtebau Vorrang, es dürfe keine neuen oberirdischen Gleisanlagen geben, auch nicht als Interim, darauf einigte sich die Arbeitsgruppe ebenfalls.
Bis auf die Linksfraktion und die Fraktion Puls befürworteten alle Vertreter im Ausschuss, auch die Grünen, am Dienstag diesen Zwischenstand. Die Arbeitsgruppe versuche zu suggerieren, dass die Fehler von S 21 durch spätere Ausbauten geheilt werden könnten, […] Das Funktionieren des Schienenverkehrs müsse Vorrang vor dem Städtebau haben, widersprach Debora Köngeter (Puls) einem der Ergebnisse der Arbeitsgruppe.[…]
Eine Maßnahme hat der Ausschuss beschlossen: die mit dem Verband Region Stuttgart (VRS) abgestimmte Planung für den Bau eines Haltepunktes am Nordbahnhof. […]
Christoph Ozasek (Linke) drängt auf ein Betriebskonzept, das die Strecke bedient, sobald sie vom Kopfbahnhof abgehängt wird. […]
Bernhard Maier von einem „groben Foul“. Zumal die Bahn einen ergänzenden Kopfbahnhof nicht für nötig erachte, wie Thorsten Krenz von der Deutschen Bahn sagte. […]

Das Chaos im Projekt ist so groß, dass es der Minister richten soll:

20191004_StZ-S23 Minister Scheuer soll bei S21 durchgreifen
Das Verkehrsministerium hat intern massive Termin- und Kostenrisiken zugegeben

Zum 10-Jährigen der Montagsdemos gibt es einen schönen Artikel von Konstantin Schwarz

20191008_StZ-S17 Der Käs‘ ist noch nicht gegessen (Konstantin Schwarz)
[…] Für die Oben-bleiben-Fraktion der Gegner klingt die Kombilösung wie Hochverrat. „Da soll etwas ganz Schlechtes weniger schlecht gemacht werden, die Todesgefahr in den Tunnel bei einem Brand bleibt aber“, diagnostiziert Eisenhart von Loeper, Anwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses. „Gleise und Gebäude sind noch da. Oben bleiben ist jederzeit möglich“, sagt Rockenbauch. […]

Wie sehr die Gäubahnstrecke abgehängt bleibt, liest man dann auch z.B. am 8.10. in der StZ.

20191008_StZ-S07 Singen bleibt bis auf weiteres Endstation
[…] Die geplante Attraktivitätssteigerung auf der Gäubahn kommt nicht voran. So rechnet die Deutsche Bahn gegenwärtig nicht damit, dass sie den Stundentakt zwischen Stuttgart und Zürich, wie versprochen, zum Fahrplanwechsel 2020 einführen kann. […]Kein Stundentakt…[…] Auch der künftige Bahnknoten Stuttgart 21 soll mit ETCS ausgestattet werden, um dort eine höhere Zugfolge zu ermöglichen. Gastl sieht dies skeptisch: „Wenn schon die Ausstattung einiger Züge mit ETCS derartige Probleme macht, dann drängt sich die Frage auf, wie dies im wesentlich komplexeren Bahnknoten von Stuttgart 21 gelingen soll.“ Nach dem gegenwärtigen Stand der Technik dürften die meisten deutschen Züge den neuen Tiefbahnhof gar nicht anfahren.

Dann am 12.10. noch einmal ein obskurer lokaler Leitartikel von Jan Sellner, der freudig das Kommen des Durchgangsbahnhofs verkündet, egal, ob er funktioniere oder nicht. Das wird dann schon am Ende festgestellt werden. Den Projektkritikern bleibt der zweifelhafte Ruhm, das Projekt zumindest verbessert zu haben: Ob Aufwand und Nutzen im Verhältnis stehen und die Bahninfrastruktur damit zukunftssicher ist, muss sich erst noch zeigen.

20191012_StZ-S21_Lokaler-Leitartikel-Von Tunneln zu Brücken-10-Jahre Mo-Demo
(auch diesen Artikel sucht man auf dem online-Portal vergebens)
[…] Indem sie Schwächen identifizierten, haben die Gegner Stuttgart 21, ohne es zu wollen, ertüchtigt und geerdet. […] Stuttgart wird einen Durchgangsbahnhof bekommen. Ob Aufwand und Nutzen im Verhältnis stehen und die Bahninfrastruktur damit zukunftssicher ist, muss sich erst noch zeigen. […]

Eigentlich hat man sich von einem Mini-Kopfbahnhof im Zentrum schon verabschiedet.

Ab jetzt wird nämlich daran gearbeitet, den (Interims?)Bahnhof der Gäubahn an den Nordbahnhof zu verlegen, um den Städtebau nicht mehr zu stören. Dass man damit eine leistungsfähige Anbindung der Gäubahn an das Tiefbahnhöfle untergräbt, wird wohl unterschlagen werden, wenn nur überhaupt die Gäubahn im Tal noch einen Halt erhält. Eigentlich müssten jetzt die Menschen der Regionen südlich von Stuttgart auf die Barrikaden gehen, einschließlich derer, die noch immer die Gäubahn und die Panoramabahn als Teil einer Nord-Süd-Magistrale sehen. Denn der Mischverkehrsstreifen zwischen Flughafen und Rohrer Kurve und weiter ist einer Magistrale unwürdig. Seien wir gespannt, was der 14. November bringt.

20191021_StZ Land regt Bahntunnel an
Brief ans Bundesverkehrsministerium, Strecken aufgelistet, bei denen VM-BW im Zusammenhang mit der angestrebten Verdoppelung der Fahrgastzahlen Handlungsbedarf sieht. Das Schreiben dient der Vorbereitung eines Fachgesprächs im November. (14.11.2019)
Ein 5. und 6. Gleis soll als „Maßnahme zur Realisierung des Deutschland-Takts“ angemeldet werden.
zusätzlichen Tunnel im Stuttgarter Norden,
Errichtung einer neuen, unterirdischen Verbindung zwischen der bestehenden Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart und der neuen Infrastruktur für Stuttgart 21

Der Kopfbahnhof funktioniert bestimmt auch im Jahr 2050 und darüber hinaus. Mir fällt es zunehmend schwer, die in Beton gegossenen Fakten des Tiefbahnhöfles zu ignorieren, aber in der Gesamtsicht und für die Zukunft ist es auch heute noch sinnvoll, dass wir mit vielen Gleisen

Oben Bleiben.


Zur genaueren Betrachtung der Mischverkehre und der Einflüsse auf die Fahrplangestaltung eines (Integralen Takt)fahrplans ein Gutachten des Analysten Christoph Engelhardt

http://wikireal.info/wiki/Stuttgart_21/ITF_Detailkritik_Heimerl_1997#Situation_auf_den_Zulaufstrecken_zum_Hauptbahnhof

Eine wesentliche Aussage des Gutachtens in diesem Abschnitt besteht darin, dass Stuttgart 21 an der geschilderten Mischverkehrssituation nichts ändert. Es bleibt vielmehr bei der Situation auf den vorgelagerten Mischverkehrsstrecken, die das Gutachten als negativ für die Flexibilität der Fahrplankonstruktion darstellt, und was ohne weiteres auch zutreffend ist.

Allerdings unterschlägt das Gutachten einen wesentlichen Punkt bei seiner Betrachtung der Mischverkehrs-Situation im Umfeld von Stuttgart HBF: Durch die Neuordnung des Bahnknotens im Zuge von Stuttgart 21 wird eine neue Mischbetriebsstrecke erst geschaffen, die es im heutigen Bestand nicht gibt: Die Mischbetriebsführung von S-Bahn mit Regionalverkehr und Fernverkehr, der heute im Zuge der Gäubahn eine unabhängige Zufahrt in das Gleisvorfeld des Bestandsbahnhofes besitzt. Die Gäubahnzuführung soll gemäß der Antragstrasse über eine neu zu bauende Rohrer Kurve über die bestehende S-Bahn-Trasse zum Flughafen und dann in die zweigleisige Zuführung des sogenannten Fildertunnels in den Bahnknoten eingeführt werden.

Die Problematik dieser planerischen Maßnahme wird deutlich, wenn man die Betriebskonzepte vergleicht, die heute gefahren werden und die in Zukunft geplant sind. Dabei genügt ein Beispiel einer Verbindung des Nahverkehrs, die im Konzept Stuttgart 21 als durchgebundene Linie geplant und als solche in einem neuen Regionalverkehrsvertrag bereits an den Betreiber DB Regio vergeben wurde: Die Verbindung Schwäbisch Hall - Hessental nach Rottweil/Freudenstadt. Im Folgenden werden hierzu die Zwangspunkte zwischen der heutigen und der zukünftigen Situation dieser Strecke aufgezählt verglichen:

Von der Gäubahn nach SHA:

Situation heute: 6 Zwangsbedingungen

Situation mit Stuttgart 21: 9 Zwangsbedingungen

Die am Ende des Abschnittes von den Gutachtern ausgesprochene Empfehlung, die Ausfahrmöglichkeiten aus dem betrachteten Tiefbahnhof noch um Tunnelverbindungen aus der Cannstatter Röhre nach Feuerbach zu erweitern, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass ein solch wesentlicher Aspekt wie die Neuschaffung von Mischverkehren und Zwangspunkten und die Auswirkung derer unmittelbarer Verkettung bei der Erstellung des Gutachtens durch Heimerl et al. nicht betrachtet worden ist. Sie wirft vielmehr eine weitere Frage auf: Wenn der Engpass der Zuführung Neubaustrecke Mannheim-Stuttgart durch die Antragsplanung nicht beseitigt wird, was hilft dann eine zusätzliche, baulich aufwendige Ausschleifung aus dem Cannstatter Tunnelast, wenn diese sich zwischen Feuerbach und Zuffenhausen wieder mit der Engpassstrecke vereinigen muss? Wäre es dann nicht zielgerichteter, gleich einen Ausbau der Zuführung von Kornwestheim Salzweg bis in den Hauptbahnhof zu projektieren, der – wie bei der Zufahrt Bad Cannstatt – einen sechsgleisigen Zulauf schafft und dadurch auch diesen Engpass selbst beseitigt?